Das Buch des Wandels
Rohstoffen, der Ausmerzung und Versklavung ganzer Völker. Daneben steht die Etablierung von dauerhaften Handelsrouten und -verbindungen, die zu einer europäischen Kultur des Handels führten.
Globalisierung 3.0: Der Ausgang des Zweiten Weltkrieges brachte das Ende der Kolonialreiche. Japan wurde Teil der westlichen
Wirtschaftsdynamik, Europa profitierte vom Aufstieg Amerikas, doch viele andere Länder fielen in sozialistische Unterentwicklung zurück. In den Jahren ab 1990, vom Fall des Eisernen Vorhangs bis zur Finanzkrise von 2008, beschleunigte sich die Dynamik erneut. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg verzehnfachte sich das Volumen der Weltwirtschaft. Eine Turbo-Globalisierung schwemmte die letzten Barrieren hinweg. »The World is Flat« – so lautete der Weltbestseller zur Globalisierung von Thomas Friedman.
Natürlich war die Welt nie wirklich flach im Sinne einer völligen Gleichheit der Lebensbedingungen. Aber sie ist auch nicht mehr wirklich »rund« im Sinne der alten Trennungen, Teilungen und Distanzen, die die vergangenen Jahrhunderte geprägt hatten. Im Jahr 2007 fuhren 22 Millionen Normcontainer auf 200 Millionen Fahrten pro Jahr über die Weltmeere, und die elektronischen Netze und Finanzmarktstrukturen wirkten bis in den letzten Winkel des Erdballs hinein.
Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Gesetze, nach denen dieser gewaltigste Wirtschaftsaufschwung aller Zeiten funktionierte. Angetrieben wurde er von der Ungleichzeitigkeit der Verhältnisse zwischen Erster und Dritter Welt und der Dynamik der Kapitalmärkte. Immer mehr Produktions-, aber auch Dienstleistungen wurden unter dem Kommando amerikanischer oder europäischer Konzerne nach China, Indien, Brasilien ausgelagert. Lange, gespreizte Wertschöpfungsketten mit enormen Hebelwirkungen wucherten quer über den ganzen Planeten. Das in den Schwellenländern erwirtschaftete Kapital floss zurück in die Kapitalmärkte vor allem Amerikas. Die »Krise« signalisiert nun das Ende dieser Epoche. Im Übergang zur vierten Phase der Globalisierung wird das planetare Machtgefüge neu sortiert.
Man kann diese Tatsache schon an den Arrangements der Mächtigen erkennen. Auf dem offiziellen Foto des G8-Gipfels in Petersburg 2006 waren sieben (plus zwei) Männer und eine Frau (Angela Merkel) zu sehen. Zum Gipfel der mächtigsten Wirtschaftsnationen im November 2008 – dem Krisengipfel – fanden
sich 25 Personen, darunter einige mit nichtweißer Hautfarbe, ein. Der »Climate Summit« in Italien 2009 versammelte schon 48 Staatslenker auf ein Foto, darunter Männer in bunten Gewändern und mit dunklen Hautfarben sowie fünf Frauen. In der neuen Wirtschaftsordnung nach der Krise werden Länder und Regionen Sitz und Stimme erhalten, die über Jahrhunderte zur Peripherie der Weltgeschichte zählten.
Globalisierung 4.0: Jeff Rubin und Benjamin Tal, zwei amerikanische Ökonomen, die für die kanadische Investitionsbank arbeiten, schreiben in einer Untersuchung über die Auswirkungen steigender Rohstoffpreise und das Entstehen neuer Wirtschaftsordnungen: »In einer Welt der dreistelligen Ölpreise kostet Entfernung Geld. Und während Handelsliberalisierung und technischer Fortschritt die Welt flacher gemacht haben, wird sie durch steigende Transportpreise wieder runder.« 13 In der kommenden Phase werden dennoch mehr Nationen als früher aktiv in die Globalisierung integriert. Die alte, von Amerika dominierte »Flachwelt« hat sich überlebt.
Die Löhne in den Schwellenländern steigen weiter, und damit verringert sich die Differenz zu den Industrieländern der alten Welt. China wird wahrscheinlich schon im Jahre 2030 die mächtigste Wirtschaftsnation der Erde. Der nächste Boom wird von den neuen Mittelschichten der Schwellenländer vorangetrieben, nicht mehr von verarmten Wanderarbeitern, die in den hastig hochgezogenen Fabriken für jeden Lohn arbeiten.
In den letzten Jahren »ausgesourcte« Jobs kehren zurück nach Europa und Amerika. Es wird wieder lukrativer, im Inland zu produzieren, die Transferkosten in die Schwellenländer und dortige Gestehungskosten rechnen sich in vielen Fällen nicht mehr. Regionale Wirtschaftskreisläufe und transregionale Netzwerke gewinnen damit wieder an Bedeutung: »Vom Offshoring zum Nearshoring« lautet die Devise.
Die Schwellenländer entwickeln eigenständige Innovationsprozesse, anstatt vom »Westen« einfach nur Technologie und
Know-how zu übernehmen. Sie investieren in Forschung und Entwicklung vor allem
Weitere Kostenlose Bücher