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Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Horx
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auch von Zukunfts- und Umwelttechnologien. Ihre Binnenmärkte werden zu eigenständigen Wachstumstreibern. Die »grüne Globalisierung«, der Siegeszug der grünen Technologien, wird zum Motor für die Weltwirtschaft.
    Die Geschichte hat Europa und Amerika jahrhundertelang zu privilegierten Avantgardisten des Wandels gemacht. Nun verlieren wir unser Privileg auf Wirtschafts- und Wohlstandsdynamik. Weil Milliarden Menschen in anderen Teilen der Erde im Eilschritt ähnliche Wohlstandsprozesse durchlaufen haben und durchlaufen wie Amerika und Europa im 19. Jahrhundert, weil sie ebenso fleißig, innovativ, optimistisch sind wie wir zu unseren »besten Zeiten«, verschieben sich die Machtlinien erneut. Auch in unserer Ökonomie.

Die Meister der Veränderung
    Die Sessel sind runde Kugeln, rot, lila, pink, bunt. Dazwischen kleine Plastiktischchen, die an Eiswürfel erinnern. Elegante Holzverblendungen in gebeizter Eiche vor einer Wand aus edel strukturiertem Beton. Darauf befindet sich das Logo in fröhlichen Kinderbuchstaben: G (blau), o (rot), o (gelb), g (blau), l (grün), e (rot). Eine Edelstahlrutsche führt vom oberen Stockwerk hinab. Vom Zentralflur aus zweigen die Räume ab, deren Funktionen an avantgardistische Erlebnismuseen erinnern. In einem Raum sieht man wabenförmige Kapseln, in denen Monitore leuchten. In einem anderen liegen Gymnastikkugeln vor Spiegeln. Etwas weiter gibt es kokonrunde Vorhänge, beigefarben, hinter denen sich Massagesessel verbergen. Anderswo Zusammenrottungen von Billard- und Kickertischen. Irgendwo stehen eine Seilbahngondel und ein altes amerikanisches Taxi mitten im Raum. Es gibt eine große Kissenlandschaft; hier spielen drei Leute juchzend ein E-Gitarren-Simulationsspiel: Jeder ist ein Rockstar auf einer Bühne
vor 1000 virtuellen Zuschauern. In einem anderen Raum herrscht dunkelblaue Stille, Menschen liegen auf raumschiffähnlichen Konturliegen vor Aquarien voller langsam driftender Fische.
    Wer hier arbeitet, ist meistens jung, neugierig, zumeist auch hübsch oder zumindest bärtig. Er hat es geschafft, in einer der kreativsten (und inzwischen auch umstrittensten) Firmen des derzeit bekannten Universums sein Geld zu verdienen. Bei Google, dem »Nervensystem des Internets«.
    Bei der Formulierung »Er hat es geschafft« sollten wir allerdings einen Moment verweilen. In der Industriegesellschaft heißt das: Er verfügt über eine unkündbare »Stellung« in einem gehobenen Beruf mit garantierten Beförderungsaussichten und einem Gehalt, das die nächsten Jahrzehnte ausreicht, eine Familie zu ernähren. Und »er« ist durchaus wörtlich gemeint: »Es geschafft haben« ist männlich. Bei Frauen weiß man nie, wie das so wird, mit dem Job und den Kindern …
    Sozial bietet Google seinen Mitarbeitern echte Rundumversorgung: von Kleidung (man kann sich zweimal pro Woche ein T-Shirt aus einem Kleiderkorb nehmen) bis zum Essen (es gibt drei All-you-can-eat-Mahlzeiten am Tag). Dazu kommen Reinigung und Fitnessstudios, Ärzteservices, Nahverkehrstickets, in einigen Filialen auch Kindergärten und freie Mountainbikes. Die Google-Prinzipien, niedergelegt in der »Corporate Information«, lauten:
    »We care for you. You care for yourself – and us.
    You can be serious without a suit.
    You don’t need to be at your desk to need an answer.
    Fast is better than slow.
    Great isn’t just good enough – always deliver more
    than expected.«
    »Es geschafft haben« sieht trotzdem anders aus. Die Fluktuation ist hoch, viele verbringen hier nur Stationen ihres Lebens. »Es ist eine gute Zeit, aber ich werde auch bald wieder etwas anderes machen«, sagen erstaunlich viele. Und wollen es auch so.

    Das Selbstgefühl von Google-Mitarbeitern ist sicher durch den Stolz geprägt, zu einer Elitefirma zu gehören, die sich andererseits völlig unelitär geriert. Hier signalisiert niemand mit bestimmten Anzugmarken oder Krawattenfarben seine Position. Viele kommen mit dem Fahrrad. Wie schrieb der Wirtschaftsguru Peter Drucker schon in den achtziger Jahren?
    »Wissensarbeiter sehen sich selbst als Gleichberechtigte gegenüber ihren Auftraggebern oder Arbeitgebern. Sie fühlen sich nicht als Angestellte, sondern als ›Professionals‹. Die Wissensgesellschaft ist keine Gesellschaft von Bossen und Befehlsempfängern mehr, sondern von Juniors und Seniors.«
    Die meisten Google-Angestellten haben längst das Konzept der festen Arbeitszeit aufgelöst. Arbeit und Freizeit gehen ineinander über. Zwanzig Prozent

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