Das Buch des Wandels
ein Auto Stück für Stück geplant zusammenzusetzen, als ein laufendes System mit hohen Inputraten
zu managen, dessen Parameter ständig von äußeren Faktoren verändert werden (ankommende Flüge haben Verspätung, Gepäckmenge variiert etc.). Die Mittel des Kontroll- und Kommandomanagements versagen ab einem gewissen Grad von Rückkoppelungsschleifen. Im Sinne der Netzwerklogik benötigt dann jedes Subsystem höhere Eigenintelligenz und Autonomie; unsere Leber, unser Herz, unsere Nieren arbeiten auch ohne ständigen bewussten Eingriff. Wie im Körper die Organe »emergente Kompetenzen« besitzen, müssen in komplexen Organisationen hohe Flexibilitäten auf den operativen Ebenen existieren.
Der Grund, warum ausgerechnet das hochkomplexe System des zivilen Flugverkehrs so enorme Stabilitäten entwickelt (zumindest in der Luft), liegt darin, dass seine Betreiber, die Flugzeugbauer und Systemkonstrukteure, dieses Problem frühzeitig verstanden haben. Entweder das System ist adaptiv genug, um die Zahl der Flugunfallopfer bei steigendem Flugverkehr weiter zu reduzieren, oder es hat sich überlebt. Dieser Evolutionsdruck führte zu konsequenten Verbesserungen der Redundanzmechanismen. Jedes Subsystem des Flugverkehrs hat hohe Autonomiegrade. Piloten zum Beispiel haben auch heute noch das letzte Wort, wenn es um blitzschnelle Entscheidungen geht. Flugzeugkonstrukteure sind ein ganz bestimmter Menschenschlag, der mit einer gewissen Paranoia gesegnet ist. Sie konstruieren Maschinen, bei denen eine Menge kaputt oder schiefgehen kann (die 12-Fehler-Regel). Fluglotsen sind, wie ich mir habe sagen lassen, »eitle, kluge, paranoide Zicken« (O-Ton ein Pilot). Zusammen mit Regulierungen, Sicherheitsnormen, Kontrollmechanismen bietet dies ein kompetentes, sich selbst kontrollierendes und optimierendes System von erstaunlicher Robustheit. Ich jedenfalls kann inzwischen völlig ohne Flugangst im Flieger schlafen, ich weiß die Kräfte des Dr. House unter und neben mir.
Das adaptive Unternehmen
Was haben der Klimaanlagenhersteller Semco, der Möbelanbieter Ikea, der Discounter Aldi, die Svenska Handelsbanken, der Billigflieger Southwest Airlines, der DM-Drogerie-Markt, der Autohersteller Toyota und der Computerhersteller Dell gemeinsam?
Sie alle betreiben ein postheroisches, post-tayloristisches, mitarbeiterorientiertes, kundengetriebenes Management. Noch einmal zum Mitschreiben: postheroisch, post-tayloristisch, mitarbeiterorientiert, kundengetrieben.
Die Zusammenfassung dieser vier Punkte hört auf den eher schüchternen Namen »Beyond Budgeting«. In seinem Buch »Führen mit flexiblen Zielen« 12 beschreibt der ehemalige Controller Niels Pfläging die »umgekrempelten« Unternehmen des 21. Jahrhunderts. In den alten »Top-Bottom«-Organisationen wird die Steuerung in Form von Zielvorgaben, Budgets und anschließendem Controlling ausgeübt. Der Erfolg und die Karriere eines Angestellten hängen von seiner Fähigkeit ab, punktgenau zu »liefern«. In diesen Unternehmen werden auch die Menschen konsequent taylorisiert, wie die Schrauben in der Buick-Fabrik.
Aber so funktioniert das Unternehmen der Zukunft nicht mehr. Erstens, weil sich die Marktumwelt und die Mentalität der Konsumenten verändert haben. Zweitens, weil das alte System in seinem Inneren gefährlichen Opportunismus züchtet. Banken in der Vorkrisenzeit waren typische Push-Organisationen: Ständig mussten Mitarbeiter neue »Vertriebsziele« unterschreiben, deren Einhaltung dann über den berühmten Bonus entschied. Die fatalen Hebelwirkungen dieses Systems haben zur Finanzkrise geführt. Und die dazugehörende Kultur zerstörte die Motivation von Menschen von innen heraus. Der Grund ist einfach: Niemals können die Mitarbeiter echtes Coping erleben, das Bewältigen selbstgesetzter Ziele. Und die Kunden sind nur Spielbälle in einem Großpoker, das sie nicht mehr durchschauen können.
In den neuen Firmen gibt es hingegen folgende Regeln:
• Von Inside out zu Outside in: Die Kunden und ihre Probleme geben die generelle Strategie und alle Innovationen vor. Götz Werner, der charismatische DM-Chef: »Erfolge kommen immer dann, wenn man wahrnimmt, was der Markt wirklich will!«
• Vertrauensdelegation: Den einzelnen Abteilungen wird ein Höchstmaß an Autonomie nicht nur zugebilligt, sondern es wird von ihnen verlangt, eigenständig und kreativ zu agieren – im Rahmen eines zuvor gemeinsam erarbeiteten Zielkonsenses.
• Keine Entlassungen in Krisenphasen:
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