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Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Horx
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Neunziger Jahre eine vorbildliche Gesundheitskampagne, geleitet von dem Gesundheitsexperten Pekka Puska. Die Infarktraten konnten teilweise um 70 Prozent gesenkt werden. Erreicht wurde das durch eine Einbeziehung und systematische Koordination aller gesellschaftlichen Kräfte: In den Schulen wurden Süßigkeitsund Getränkeautomaten abgeschafft und das Schulessen verändert. Supermärkte wurden »sanft paternalistisch« dazu gebracht, mehr Obst und Gemüse anzubieten. Medien, Vereine, Zivilinstitutionen beteiligten sich an einer groß angelegten Sportkampagne, das Fernsehen und das Radio spielten mit. Haushalte, in denen Risikopatienten lebten, wurden von Ernährungsberatern besucht. Ein klassisches Beispiel von »Vier-Wege- Politik«. 16
    Wie kaum ein anderer Gesellschaftsbereich spiegelt das Gesundheitswesen die Soziokultur eines Landes wider. In den USA wurde Gesundheit stets als »Privateigentum« betrachtet; dennoch hat das Land eine ausgedehnte Armenversorgung. Man muss allerdings sehr arm und sehr krank sein, um behandelt zu werden, es sei denn, man kann sich Gesundheitsdienstleistungen zu jedem Preis kaufen. In Norwegen gehen die Menschen im Schnitt dreimal im Jahr zum Arzt, und sind dennoch gesünder als die Deutschen, die mit 14 Arztbesuchen im Jahr und ihrem tiefen Glauben an die Pillenmedizin fröhlich und schimpfend ihr System ruinieren. In China werden Ärzte niemals für Konsultation bezahlt, denn ihre
Tätigkeit gilt als Dienst an der Gemeinschaft. Dafür verschreiben sie noch viel mehr und viel teurere Medizin als bei uns.
    Quer über diese kulturellen Differenzen hinweg geht man in New York und in Dänemark – zwei wahrhaftig unterschiedlichen Kultursystemen – ähnliche Wege staatlicher Gesundheitsintervention. Wer dort Diabetes hat, bekommt ein »Pflichtenheft« des staatlichen Gesundheitsversorgers, in dem Sport-, Ernährungs- und Entstressungspflichten festgesetzt sind. Wer dieses Programm nicht absolviert, muss im nächsten Jahr selbst für seine Behandlungen aufkommen. Wenn in einem dänischen Unternehmen die Krankenstände zu hoch werden, muss das Unternehmen Maßnahmen zur Gesunderhaltung einleiten oder höhere Beitragszahlungen leisten. Seit das sogenannte »Experience Rating« eingeführt wurde, investieren die Unternehmen verstärkt in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. 17
    Ein anderes Beispiel ist Dänemarks und Hollands Arbeitspolitik. In Holland liegt die Hilfe für Arbeitslose allein in der Hand der Gemeinde. Diese bekommt staatliche Zuschüsse (geregelt nach Einkommen und Kaufkraft), kümmert sich aber stets im Rahmen unmittelbaren Erlebens in der Nachbarschaft um die Arbeitslosen. Dabei gilt das Prinzip: keine Leistung ohne Gegenleistung. Wer Arbeitslosengeld beziehen will, kann dafür Kommunaldienste erledigen, woraus ein ordentlicher Job entstehen kann. Die Niederlande haben eine der niedrigsten Arbeitslosenraten Europas. Auch in Dänemark ist die Quote vergleichsweise gering, die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, liegt bei nahezu null. Aber nicht, weil die Arbeitsplätze rundum »geschützt« wären, im Gegenteil: Es gibt praktisch keinen Kündigungsschutz. Bis zu 80 Prozent vom Gehalt werden maximal fünf Jahre lang weitergezahlt. Was kaum vorkommt. Jeder muss so gut wie jede Arbeit annehmen, auch wenn sie deutlich niedriger angesiedelt ist. Jeder Bürger hat gleichzeitig verbrieften Anspruch auf individuelle Talentberatung. Wer arbeitslos wird, hat sofort einen Trainer vor der Tür stehen, der mit ihm so lange arbeitet (und diskutiert), bis er wieder in
Lohn und Brot steht. Dänemarks Unternehmen sind in dieses »Welfare-to-work«-System eingebettet. Es ist ganz selbstverständlich, dass Firmen möglichst viele Arbeitslose aufnehmen, wenn sie Bedarf haben – sie können dabei darauf vertrauen, dass die Ausbildung hohe Qualität aufweist.
    Anstöße gibt auch Kanadas Schulpolitik. Es ist noch erfolgreicher als das hoch gelobte finnische Bildungsmodell – und vergleichbar mit der mitteleuropäischen Situation, wo es ebenfalls in vielen Schulen hohe Migrantenquoten gibt. Kanada wird die erste Nation sein, in der mehr als 50 Prozent der Gesamtbevölkerung Tertiär-, sprich universitäre Bildungsabschlüsse vorweisen können. Erreicht wird dies durch ein konsequentes Gesamtund Ganztagsschulmodell und hohe Autonomie der einzelnen Schulen bei intensiver Lehrerfortbildung. Und ein besonderes Augenmerk auf die Integration bildungsschwacher Schichten und Immigranten. 18
    Das

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