Das Buch des Wandels
sie 16 war, und kehrte als allein erziehende Mutter nach Island zurück. Eine fast schon normale Biographie.
Alda schreibt in ihrem Blog ein Tagebuch des Wandels: eines Menschen, eines Landes, von Weltwahrnehmungen. Es wimmelt von Hunden, Pferden, Sonnenuntergängen und pastellfarben angemalten Holzhäusern. Im Juli 2009 heißt es: »In jeder Beziehung ist das Leben gut, trotz aller Krise und Korruption und anderem Wahnsinn. Die Dinge, die wirklich wichtig sind, haben sich nicht geändert – wir haben immer noch genug Essen auf dem Tisch, alle sind gesund und erfreuen sich des Lebens.«
Island nach der »kreppa« zeigt uns wie unter dem Brennglas drei Megatrends für die nahe Zukunft. Der erste lautet: Back to the basics . Menschen werden sich wieder mehr mit den Grundlagen ihres Daseins beschäftigen. Mit Ernährung. Natur. Handwerk. Den stofflichen Dingen, den Traditionen unserer Existenz. Island ist eine Fischfangnation inmitten eines ressourcenreichen Ozeans. Dieser Ressource wieder ihren Wert zurückzugeben, anstatt in den Kampf um Fangquoten und pure Tonnage einzusteigen, wäre ein lohnendes Projekt. Island hat aber auch 900 000 Schafe, eine reichhaltige handwerkliche Tradition, eine traditionelle Holzbautechnik, deren Produkte Kälte und Stürmen trotzen können. Handwerk bildet die robuste Basis jeder Lebensform. Ohne Handwerk verstehen wir wenig von der Welt.
Der zweite Megatrend lautet: grüne Energien. Die Vulkaninsel kann durch Erdwärme und Wasserkraft 90 Prozent ihres Energiebedarfs decken – und im Winter sogar die Bürgersteige beheizen. Bislang wollte Island diese Energien als Standortvorteil nutzen
und eine gigantische Aluminiumindustrie entwickeln. Aber die Krise trieb die ausländischen Investoren in die Flucht, und das ist wohl auch gut so. Jetzt formiert sich eine Bewegung gegen die Reindustrialisierung dieser Insel voller Naturschönheiten. Island könnte als eines der ersten Länder der Erde völlig autark von den fossilen Energien werden, eine CO 2 -neutrale Nation. Was andernorts als ferne ökologische Utopie betrachtet wird, ist in Island sicht- und realisierbar.
Die dritte Kraft hört auf den Namen Netzmacht . Die Computer-Revolution entfaltet erst jetzt ihre volle soziale, weltumspannende Kraft. Islands Branche mit den besten Zuwachsraten, dreimal so groß wie der Fischfang, ist der Internet-Computer-Sektor. Von Island aus werden virtuelle Welten programmiert wie das Weltraum-Exodus-Spiel EVE. Es ist das erste selbst-evolutionierende Massive-Online-Spiel. Die virtuelle Welt, in der heute bereits mehr Mannjahre als in den Pyramiden (400 000) stecken, wird ständig in Zusammenarbeit mit den Spielern weiterprogrammiert.
340 000 hoch gebildete, englischsprachige, familienverbundene Individualisten. Viele Isländer werden weggehen, ihr Glück und Geld woanders suchen. Aber das ist nichts Neues. Die meisten werden zurückkommen. Das neue Island wird vielleicht »ärmer« sein. Aber was bedeutet das in einer Welt voller verschwenderischer Waren, die immer billiger herzustellen sind? Islands fordernde Natur ähnelt auf manche Weise der Umwelt der Maya: Vulkane, Stürme, wenig fruchtbarer Boden, dazu kommen noch Kälte und Dunkelheit. Und dennoch sind die Isländer das beste Beispiel dafür, dass das Maya-Schicksal nicht zwangsläufig ist. Es scheint ihnen zu gelingen, das Coping zur Basis ihres gemeinsamen Lebens zu machen und Vertrauen und Bereitschaft zur Kooperation als Gesellschaftsprinzip zu verankern. Sie erfühlen vorsichtig den Grund …
DANK MIT METHODE
Danksagungen am Ende von dicken Büchern ähneln oft einer leicht verklemmten Entschuldigung. Das Handwerk des Schreibens bringt verschiedene Abstufungen von sozialem Autismus mit sich, und nun gilt es, Abbitte zu leisten. Und so liest man in den Epilogen denn auch immer wieder die (meist männliche) Prosa: »Ich danke meiner Frau und den Kindern, dass sie mich in meinem Schaffensrausch so lange ertrugen – und meiner Frau, dass sie das Manuskript geduldig mit mir durchging und korrigierte und Kaffee kochte …«
Meine Frau Oona trinkt nur Tee. Und den bereite meistens ich zu. Unser kreatives Eheleben ist seit eineinhalb Jahrzehnten vom Versuch umweht, all diese Dinge etwas anders zu machen als zwischen Mann und Frau üblich. Da Oona ebenfalls Bücher schreibt, erwies sich dieses Experiment als zumindest nicht unmöglich. Ich danke ihr dennoch, dass sie mir zwischendrin immer wieder den halbdelirischen Zustand eines Buchautors
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