Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Horx
Vom Netzwerk:
Spiritual-Dienstleistungen, die im Lauf der Zeit zum Wellness-Versprechen heranwuchsen.

    Abb. 11: Gesundheitskontinuum nach Travis

    Wellness ist heute eine »Industrie«, deren Umsatz allein in Deutschland auf rund 70 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt wird. Eine riesige Touch-and-Cash-Wirtschaft, die immer neue Moden und Methoden entwickelt: Reiki, Rolfing, Spinning, aurale Therapie und transzendentale Wadenwickel, Ayurveda für Anfänger und Aurobindo für Fortgeschrittene. Wellness gibt es inzwischen in allen Produktbereichen, weil der Begriff zu so gut wie allem passt – in mal romantischer, manchmal nur unverschämter Variante. Es gibt Wellness-Briketts, Wellness-Salamis, Wellness-Socken.
    Der gewaltige Siegeszug, aber auch die Inflation des Wellness-Begriffs weist uns auf ein existentielles menschliches Bedürfnis hin: in Balance sein. Aber hier liegt auch die Crux: »Wohlfühlen« unterliegt derselben hedonistischen Tretmühle wie alle anderen Genüsse, und es tendiert zur Passivität, zum regressiven »verwöhnt werden«. Das Wort ist an die alte industrielle Logik gebunden und verkam zu einem verbalen Ersatz für das neutralere »Freizeit«. Statt Freizeit machen wir eben Wellness.
    Erweitern wir also zunächst einmal das Wellness-Universum um einige mentale und seelische Dimensionen – im Sinne einer holistischen Wellness:
    Gesundes und entspanntes Essen
Richtiges Atmen
Angemessene Bewegung
Zulassen und Ausdrücken von Gefühlen
Geistige Aktivität
Freude an Arbeit und Spiel
Soziale Nähe zu anderen
Erfüllte Sexualität
Den Sinn des Lebens suchen und finden
Spirituelles Bewusstsein
Selbstverantwortung und Liebe
Sensibilität der Sinne
    Man sieht, wie in dieser Aufstellung der Begriff seine Tücken bekommt. Zumindest sind diese Faktoren etwas ganz anderes als das, was inzwischen allgemein unter »Wellness« verstanden wird – eher eine entspannte Gefühlslage, die ein bisschen an das »Relaxtsein« der Jugendlichen erinnert.
    Wenn wir uns den qualitativen, aktiven Elementen der Wellness nähern, geraten wir schnell an die Grenzen des Begriffs. Wellness transzendiert sich irgendwann zu dem, was ich einmal als Selfness definiert habe – eine mentale Sozialkompetenz, das heißt die Fähigkeit, sich selbst im Kontext seiner sozialen Beziehungen, seiner Arbeits- und Familienwelt bewusst weiterzuentwickeln und sich mental, psychologisch, körperlich in Richtung auf eine reife, kooperierende Individualität zu verändern.
    »Selbstverwirklichung« steht immer noch unter dem Generalverdacht des Egoismus; »Individualität« bedeutet für viele immer noch die schlichte Entkoppelung von Bindungen. Aber Selfness meint viel mehr. Hier geht es um persönliche Reife als Bedingung und Begleiterscheinung sozialer Kompetenz. Um die Navigationsfähigkeiten von Individuen, die zu ihrer Entfaltung und Vernetzung führen. Im Einzelnen:
    Die Fähigkeit, die eigenen Talente zu verstehen und gesteuert zu entwickeln.
    Die Fähigkeit, Krisen bewusst zu durchleben und gestärkt aus ihnen hervorzugehen.
    Die Fähigkeit, die eigenen Glücksstrategien dynamisch anzupassen (und die hedonistische Tretmühle zu vermeiden).
    Die Fähigkeit, die eigenen Grenzen anzuerkennen und nach sinnhaften Kompensationen für Enttäuschungen und Entbehrungen zu suchen.
    Die Fähigkeit, sich als reifes Individuum in gegenseitigen Interessen mit anderen zu verbinden – »reziproker Altruismus« mit fairen Regeln und effektvoller Fehlerkorrektur.
    Die Fähigkeit, die inneren widerstreitenden Charaktereigenschaften im Sinne einer »Selbstkomposition« auszubalancieren.

    Der »Selfness«-Begriff versucht, die Metamorphose des Schmetterlings auf das menschliche Leben zu übertragen. Dabei müssen wir uns gleich mehrfach aus den »hart gewordenen Schichten« herauslösen und unseren »Organismus« (unsere psychische Gestalt) umbauen. In der Psychologie lautet der Parallelbegriff »Selbstwirksamkeit«. Allerdings müssen wir eingestehen: Die Idee, sich selbst zu verändern, behält in ihrem Kern etwas Absurdes. Sie birgt enormes Stresspotential. Sie erinnert uns an den armen Münchhausen, der sich an seinem eigenen Zopf aus dem Sumpf ziehen musste. Um den Begriff »erlösen« zu können, benötigen wir deshalb eine Orientierungslandkarte. Ein Level-up- und Freischaltsystem. Wo stehen wir gerade? Welches Ziel kann ich mir realistisch setzen, um voranzukommen?

Die Stufenleiter des Lebens
    Die Klassiker der Entwicklungspsychologie wie Jean Piaget oder

Weitere Kostenlose Bücher