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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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gelben Diamanten.
    »Ein kleines Dankeschön.« Er beugt sich vor: »Wie du sicher weißt, dürfen ab jetzt zwischen uns weder Bargeld noch Karten oder elektronische Geräte hin- und hergehen. Die Hotelrechnung ist sicher, aber benutz ab jetzt nur noch deinen Vornamen, unterschreib nirgendwo mit deiner normalen Unterschrift und beschränke dich auf den Zimmerservice.« Sein Blick fliegt im Raum umher, bevor er hinzufügt: »Ecke Kreuzbergstraße und Mehringdamm ist eine Wechselstube, falls du den Stein zu Bargeld machen musst.«
    »Jetzt habe ich mich schon zum zweiten Mal heute wie James Bond gefühlt.«
    »Ich weiß, es ist theatralisch, aber denk dran, so ein Stein ist die perfekte Währung. Leicht mitzunehmen, auf der ganzen Welt einfach zu handeln, überall derselbe Wechselkurs. Schlägt jeden in Bann, der ihn sieht, haut dich auf der Straße aus jeder misslichen Situation. Kann im Mund oder im Arsch versteckt werden. Ein Bruchteil des Gewichts von Gold. Ein Neustart für jedes Leben in einer Zigarrenhülse.«
    »Meinst du, man würde uns einen dieser Ständer mit Kuchen an den Tisch bringen?« Ich nicke in Richtung der einsturzgefährdeten Berge aus Törtchen, Quiches und Pasteten.
    »Ich lass dir einen aufs Zimmer bringen – ich sehe schon, du bist nicht mehr bei der Sache. Geh schlafen, alles ist in guten Händen. Wir werden damit beginnen, am Veranstaltungsort Präsenz zu erzeugen.«
    »Präsenz?«
    »Seriöse Täuschungsmanöver auf dem ganzen Gelände. Die Aufbauarbeiten sind viel zu auffällig, wir müssen die Anwohner dazu bringen, sich Schritt für Schritt an uns zu gewöhnen. Wenn die Nacht des Events gekommen ist, zuckt niemand mehr auch nur mit der Wimper. Du glaubst doch nicht, dass wir einfach auftauchen und dann die Party schmeißen, oder?« Thomas betrachtet mich pausenlos, und auf seinem Gesicht macht sich ein Lächeln breit: »Manchmal glaube ich, du erfasst die Dimension des Ganzen nicht so richtig.« Er drückt mir einen Schlüssel in die Hand: »Dann wieder habe ich das Gefühl, du bist total abgebrüht. Obwohl du dir den Mummenschanz langsam sparen könntest.«
    Ich sehe auf meinen verfilzten Pelz hinunter. »Was für einen Mummenschanz?«
    »Pass auf, dass ich keinen Lachkrampf erleide. Geh ins Bett.«
    Ich skizziere eine Karte des Bunkers und händige ihm nur den grünen und den Messingschlüssel aus – der gelbe ist für den Lagerraum mit den Resten meines Marius-Vorrats. Nachdem wir uns für den nächsten Abend verabredet haben, um den Basken abzuholen, durchquere ich das in himmlisches Licht getauchte Hotelfoyer, ein Licht, das die Haut wieder in die Kindheit zurückversetzt, das aus Augäpfeln Elfenbein macht und das Hemdkragen im Weiß von Neuschnee leuchten lässt. Dann weiter in meine Suite, wo ich zusammenzubrechen gedenke.
    Der Anblick von Kissen lässt mich vor Erschöpfung erbeben. Als der Kuchenständer zusammen mit einer Flasche Champagner eintrifft, inspiziere ich gerade die Möbel im Zimmer, die Chaiselongue, den Schreibtisch, das Sofa, die Mini-Bar und das King-Size-Bett. Ich ziehe die Klamotten aus und lege meinen schlauchförmigen, weißen Körper ab. Unter dem Licht sieht er perlmuttern aus, bis in eine gewisse Tiefe sogar durchscheinend, marmoriert. Geradezu leichenhaft sieht er aus, dieser von schlechter Lebensführung verwüstete Körper. Eine schlaffe Made, überzogen von einer netzartigen Struktur, bedeckt von einem Gestrüpp aus kupferfarbenen Haaren. Schlaff lappt sie über die Bettkante.
    Ein letzter verdrießlicher Zeuge, der sich fragt, warum.
    Graues, kaltes Sonnenlicht sickert durchs Fenster, als ich am Montag wieder zu mir komme. Im Himmel wirbelt nichts und fließt nichts, er hängt einfach so da. Ein nackter, überdeutlicher Morgen. Als hätte man hundert Jahre Kommunismus in einen trüben Glanz gepresst. Gerüst und Fütterung meines Körpers haben sich während der Nacht von der Haut gelöst. Jetzt gebe ich scharrende, rasselnde Geräusche von mir, und mein Herz schwabbelt, als wäre es in einem Beutel mit Flüssigkeit aufgehängt worden. Die Natur, so ist sie. Das Mittel, das sie mir zuweist, um mit einer simplen Fahrt zum Flughafen fertig zu werden, ist die Fight-or-Flight-Reaktion, ein Panikschalter in Einheitsgröße, der für alles von Kleiderkauf bis Todesgefahr eingesetzt wird. Niederschmetternd, wie unterentwickelt wir sind. Schlecht durchdacht – darüber kann kein noch so ausgeprägter Intellekt, kein noch so elegant geschnittener Anzug

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