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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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hinwegtäuschen.
    Ich sehe den Jicky-Flakon aus einer Manteltasche ragen, greife danach und nehme einen tiefen Schluck. Whoosh: Ich werde defibrilliert, keuchend sitze ich da, empfinde es aber erstaunlicherweise nach ein paar Sekunden als ganz angenehm. Ich verteile auch auf mir ein paar Spritzer, wie ein Elitesoldat, der den Schwanz des Skorpions, der ihn gestochen hat, grillt und isst – dann nehme ich noch ein Schlückchen. Die Wirkung ist fast noch stimmiger, meine Sinne verfallen in eine Duft-Schockstarre. Nach ein paar Zigaretten und etwas deutschem Fernsehen lasse ich einen kurzen, knatternden Trotzfurz los. Dann endlich bin ich bereit für den Tag.
    Mein erster Programmpunkt ist, den Rechtsanwalt Satou anzurufen, damit er Smuts meine neue Nummer gibt. Irgendwie aufgeregt frage ich mich, ob ich ihn wohl noch mal sehen werde. Der Gedanke treibt mich unter die Dusche, dann mache ich mich auf zu Gerd, wahrscheinlich, weil auch er ein Freund ist, was in den letzten Tagen eines Menschen wichtig ist. Ja, ein Freund: Ich freue mich tatsächlich darauf, ihn zu sehen, ich gehe gerne zum Kiosk und würde mir nur wünschen, diese verrückte Zeit mit ihm zu teilen und ihm wie einem Kumpel, der gerade aus dem Urlaub zurück ist, Geschichten aus der Zwischenwelt des Limbus zu erzählen.
    Ich treffe Gerd alleine im Kiosk an. Obwohl in der Abflughalle ein regelrechtes Gewusel von Fluggästen und Personal herrscht, ist es in der vergessenen Kioskecke gähnend leer. Als ich Gerd sehe, überfällt mich die Traurigkeit. Er ist jemand, dessen Ehrgeiz niemandem schadet. Wie perfekt es wäre, wenn bei dem Bankett ein Geschenk für ihn herausspränge. Es scheint tatsächlich stattzufinden, dieses Event, wir brauchen also nur eine seinen Stolz nicht verletzende Umverteilung von Besitz. Ich schaue ihm zu, bis er mich entdeckt. Er stellt Sachen unter die Theke, versiegelt Deckel und schließt Behälter, als wäre er schon dabei zuzumachen.
    »Frederick!« Sein Gesicht hellt sich auf.
    »Machst du schon Feierabend?«
    »Ach, es ist den ganzen Tag niemand da gewesen. Ich weiß nicht, was los ist, aber noch nicht mal der Taxifahrer, der sonst immer kommt, war da.« Er dreht sich weg und wurstelt hinten an irgendwas herum. »Und Gisela ist zu ihrer Schwester nach Stuttgart gefahren. Sie brauchte das, es ist toll für sie. Sie will mit ihrer Schwester Rezepte austauschen. Gisela ist eine großartige Köchin, hast du schon mal ihren Kartoffelsalat probiert?«
    Ich bin viel zu versunken darin, ihm zuzusehen, um antworten zu können. Nach einer Weile zeigt sich sein Kopf wieder im Fenster. »Am Freitag ist unsere Abschiedsparty. Da probierst du ihn.«
    »Am Freitag? Diesen Freitag?«
    »Ja, klar – das letzte Flughafenwochenende. Es gibt ordentliches Essen und ordentliche Getränke und ein Feuerwerk. Fang schon mal an, dich in Form zu bringen – haa .«
    Jetzt kommt der innere Absturz, der so zentral ist für den Aufenthalt im Limbus. Alles ist immer so anstrengend. Mir fällt als Erwiderung nichts anderes ein als: »Wo ist Anna denn heute?«
    »Anna? Bekommt eine Impfung für Südamerika. Sie freut sich schon so auf die Riesenschildkröten. Die müssen wirklich toll sein – diese berühmte, Lonely George, soll an die hundert Jahre alt sein und größer als ein Schreibtisch.«
    »Größer als ein Schreibtisch? Meine Güte.« Nachdem ich Gerd geholfen habe, den Rollladen am Kiosk runterzulassen, begleite ich ihn hinaus und sehe mich nach einem Taxi um. Ich will in den Kastanienhof, meine Sachen holen.
    »Wie wär’s?«, fragt er. »Noch ein Bierchen in der Piratenburg?«
    »Danke, aber ich muss noch umziehen. Ich nehme mir ein Taxi.«
    »Bah, du Krösus«, sagt er und schaut mit zusammengekniffenen Augen über den Parkplatz. Ich folge seinem Blick und entdecke auf der anderen Seite, neben dem Columbiadamm, einen vertrauten Umriss. Gerd trottet ein paar Schritte den Gehweg hinauf und reckt neugierig den Hals. Dann bleibt er stehen, sieht mich an, und wir spähen beide angestrengt voraus.
    Gottfrieds klobige Gestalt kommt ins Bild.
    Mit ein paar anderen Männern hockt er an der Theke eines eindrucksvollen weiß lackierten, stahlglänzenden Cateringmobils. Es verfügt über Musik und Bistro-Beleuchtung und wird von schicken jungen Mitarbeiterinnen betreut, die mit den Kunden plaudern und kichern. Das Aroma von Grillfleisch und frisch gemahlenem Kaffee versüßt uns das Näherkommen.
    »Gottfried?« Gerd geht durch ein am Bordstein

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