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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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dass ich mein Leben damit verplempert habe, mich von etwas zu verabschieden, ohne zu wissen, wovon. Haben wir alle. Ich rede nicht von Nostalgie oder Retro-Mode – wir sind einfach am Ende unserer Blütezeit. Es lohnt nicht mehr, in den Fortschritt der Menschheit zu investieren.«
    Zunächst ist Guy Brockwell still. Dann kommt in effektvoll voneinander abgesetzten Salven: »Was für ein billiger Erstsemester-Humbug. Zu meiner Zeit …«
    »Das sind die Folgen von deiner Zeit .«
    »Ach ja? Ich gehe davon aus, etwas Totalitäreres wäre dir lieber gewesen, eine Kindheit wie die von Gerd Specht, mit einer Polizei, die deinen Geruch archiviert, damit man Hunde auf dich ansetzen kann.«
    »Nichts ist totalitärer als der Profit. Und Hunde kommen sowieso als nächstes, da brauchst du nicht mehr lange warten. Die Wirtschaft hat dieses Land zu einem afghanischen Hinterhof gemacht.« 11
    »Mein Gott. Und so einer feiert demnächst seinen sechsundzwanzigsten Geburtstag.«
    »Im Grunde ist jedes einzelne globalisierte … «
    »Stopp – und jetzt zum Thema harte Drogen.«
    »Ich bin …«
    »Harte Drogen, Gabriel. Sanitäter sind keine Blödmänner. Die glotzen nicht in der Gegend rum und suchen nach Volants in Häusern. Gestern Abend hätte man mit einem Bus durch deine Pupillen fahren können. Wenn du für einen derartigen Exzess um Unterstützung werben willst, musst du schon mit mehr kommen als mit Heart FM. Ich kann dir nur sagen: Die Reha ist das Letzte, was du von mir zu erwarten hast. Danach bist du auf Gedeih und Verderb auf dich allein gestellt.«
    »Wenigstens mal was anderes.«
    »Hör mal, mein Aschenputtelchen: Du hast deinen Job als Frittenaufwärmer verloren. Und das war noch der beste, den du je hattest – nur für den Fall, dass du dich wunderst, wo die Scharen von Investoren hin sind, die Geld in deine Zukunft stecken.«
    »Entschuldige mal – der Speisesaal hatte zweihundert Plätze.«
    »Gabriel, ich fahre jede Woche durch South Mimms. Es ist eine Autobahnraststätte. Ein beschissener Burger King.«
    »Es war vielleicht im selben Gebäude wie der Burger King, aber der Essbereich war größer als …«
    »Wenn du so weitermachst, stehst du als noch größerer Idiot da. Und jetzt gib mir den Doktor.«
    »Ich habe einen großen Schritt gemacht, hörst du? Die Reha ist einfach der falsche Weg.«
    »Es ist mir egal, welche Schritte du in philosophischer Hinsicht machst, wenn du dich dabei so tief in die Scheiße reitest. Gabriel, du hast dich fast umgebracht gestern Abend. Ich will mir gar nicht vorstellen, was die Leute denken! Jetzt gib mir den Doktor wieder, du bist ja vollkommen von der Rolle.«
    David West kommt den Korridor hinunter, bleibt aber wie von einem unsichtbaren Seil gehalten zehn Schritte von mir entfernt stehen. Schräg nach vorne geneigt streicht er sich übers Kinn.
    »Ich muss hier einfach raus«, sage ich zu meinem Vater. »Du musst nur die üblichen Hebel in Bewegung setzen.«
    »Schwachsinn, du würdest dich postwendend mit Nelson Smuts aus dem Staub machen, falls der nicht schon längst tot ist.«
    »Nach Irland zum Beispiel. Oder nach Berlin – was hältst du davon? Weg von dieser täglichen Paintball-Schlacht der Märkte. Und überhaupt: Was soll die Reha schon in zwei Wochen lösen.«
    »Du kannst so lange bleiben, wie sie dich lassen. Und krieg bloß keine feuchten Augen wegen Berlin, es ist fast zwanzig Jahre her, dass wir da waren. Wundert mich, dass du dich überhaupt daran erinnerst.«
    »An diesem Ort habe ich mich zum letzten Mal frei gefühlt.«
    »Gabriel: Seit damals ist Berlin wieder Hauptstadt geworden, und zwar die Hauptstadt der drittgrößten Industrienation der Welt. Das ist heute ein einziger riesiger McDonald’s. Ein beschissener Parkplatz. Niemand singt da mehr russische Wiegenlieder und streichelt Mauerstücke. Schon bevor wir gegangen sind, hat es angefangen, sich zu verändern – ich bin aus einem wunderbar laufenden Geschäft ausgestiegen, denk dran. Nicht, dass du dir ohne Job eine Reise überhaupt leisten könntest. Wenn ich dir einen Rat geben darf: Knie dich in die Therapie rein. Und sollten sie dich nicht von deinem zwanghaften Drang heilen können, über alles ins Philosophieren zu geraten, dann finde wenigstens moralische Grundsätze, die dich vorwärts bringen im Leben.«
    »Die Grundsätze habe ich schon – aber das Leben selbst bewegt sich leider rückwärts. Egal: Zwei Wochen Therapie für einmal über die Stränge schlagen ist absurd. Und

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