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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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aus.«
    » Einer Zitrone? «
    »Das ist Vorsatz. Wir müssen die Polizei verständigen.«
    »Mit einer scheiß Zitrone ?«

5
    Im Zick-Zack-Kurs stiefele ich weg von der Rehaklinik, wobei ich mich wie eine Raupe, die versucht, ihren Kopf hoch zu halten, gegen das Wetter vorwärtswinde. Ich habe keine Angst, geschnappt zu werden. Meine Strategie ist, die zweitnächste Stadt anzupeilen. Ein Vorteil unserer Zeit ist, dass man nie mehr als ein bisschen schlau sein muss. Denken Sie daran: Die Öffentlichkeit hat keine Schlauheitsrezeptoren mehr. Man muss immer nur ein bisschen clever oder ein bisschen freundlich sein. Alles darüber hinaus weckt nur Argwohn und Zorn und irritiert die das Land am Laufen haltende Software. Was daran liegt, dass die Mechanismen der Gesellschaft auf Dummheit und Trägheit justiert sind – und alles Nicht-Dumme und Nicht-Träge heute definitionsgemäß asozial ist. Ich spare mir also das Drama, über Stock und Stein zu stolpern. Ich mache mich einfach nicht zur nächsten, sondern zur zweitnächsten Stadt auf den Weg. Das ist clever genug. Über die nächste Stadt hinaus nach mir zu suchen, wäre auch für niemanden profitabel, vor allem, wenn der Kreislauf des Profits gar nicht unterbrochen worden ist.
    Ich bin frei zu sterben. Das zu wissen, verleiht mir Kraft. Jeder Windstoß, jedes Blätterrascheln ist emotional so aufwühlend wie die Nacht vor dem fünften Geburtstag. Alles, was man zum letzten Mal im Leben macht, wird bedeutsam, egal wie unbedeutend es ist. Und wenn man weiß, dass es das Letzte ist, was man macht – dann wird es geradezu schicksalhaft.
    Das Gelände der Reha war müllfrei gewesen, jetzt, auf dieser zwischen Hecken eingeklemmten Straße, weht er wieder umher, der Müll, und gibt mir ein heimisches Gefühl. Zweige greifen wie Klauen nach mir, und immer wenn ein Auto vorbeifährt, schmiege ich mich an sie, ansonsten nutze ich diesen Spaziergang, um eine Ethik für die Zwischenwelt des Limbus zu entwerfen. Nicht um den Limbus, der in seinem Wesenskern freiheitlich geprägt ist, komplizierter zu machen, sondern um sicherzustellen, dass ich vor lauter Übermut nicht mein Ziel aus den Augen verliere.
    Als Erstes definiere ich sieben Argumente für meinen Tod:
    Erstens, ich entstamme einer emotionalen Addams Family. Ich bin das peitschende Ende einer Geißel aus vererbten und kulturell bedingten psychologischen Konditionen, die nichts anderes sind als eine Reihe jämmerlicher Pleiten, die unbedingt unterbrochen gehört.
    Zweitens, mir sind die dunklen Beweggründe menschlichen Handelns nur allzu bewusst, und ich finde sie räuberisch und falsch. Aber auch mir traue ich nicht zu, auch nur im Ansatz wünschenswerter zu funktionieren. Alles, was man über menschliche Beziehungen wissen muss, kann man lernen, indem man Neunjährige auf dem Spielplatz beobachtet. Wie Affen sind wir auf nichts anderes gepolt als die mentalen Hebelpunkte der anderen, um unsichtbar Kontrolle über sie zu erlangen. Haben wir das erstmal raus, ist der so genannte Reifungsprozess nur noch die Tarnung – und das Leben in Gemeinschaft nichts weiter als eine Vorführung der Tatsache, dass Gott die Armen nicht leiden kann.
    Drittens, irgendwann sind die besten Köpfe der Geschichte zu dem Schluss gekommen, dass unsere Schwächen zu weitreichend sind, um uns die Freiheit zuzutrauen. Deswegen werden wir als Hamster herangezüchtet, die in einem Laufrad rennen, das nur einer lachenden Minderheit zum Vorteil gereicht. Unter diesem Regime entstehen keine großen Kunstwerke mehr, denn Schönheit ist weder demokratisch noch profitabel.
    Viertens, aus oben genannten Gründen werde ich das Bild der Person, die ich sein möchte, nie ausfüllen können; sie nur äußerlich zu imitieren, wird aber nicht genügen.
    Fünftens, die Liebe, viel gepriesen als elementarer Sinn des Lebens, ist nichts weiter als die eine Hälfte eines Klettverschlusses voller mentaler Schäden, der einen entsprechenden Widerpart findet und an ihm haften bleibt. Das Ergebnis ist geistige Verkalkung. Liebe lädt zum Sterben ein und nicht zum Leben, das durch sie verursachte Herzklopfen ist genauso Vorbote eines Endes wie das Röcheln aus der Gurgel einer Leiche.
    Sechstens, hehre Augenblicke, in denen das Ideal unser selbst heldenhaft zum Leben erwacht, Augenblicke, von denen zu träumen, die anzustreben wir gehalten sind, wird es wegen unserer Charaktermängel nie geben. Nur, indem ich den Tod gewählt habe, konnte ich einen Schlupfwinkel

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