Das Buch Gabriel: Roman
schlechte Vibes.«
»Die Küche hat Ohren.« Jetzt bin ich dran mit einem Zug an der Zigarette.
»So ist es immer. Hier ist der Draht allerdings heißer als gewöhnlich, die Küche hat einen besseren Kontakt mit dem Service und dem Vorzimmer. Ganz großes Kino heute Abend.«
»Erstaunlich, dass der Baske es hinbekommt, den Deckel draufzuhalten.«
»Alle haben sich lange bewährt. Deswegen sind seine Jobs auch so begehrt. Sobald jemand wirklich dabei ist, darf der Baske es sich nicht mehr mit ihm verscherzen. Nicht, dass alle wirklich wissen, was hier vor sich geht – hinter dem Salon gibt es noch weitere Räumlichkeiten, die die Bedienung nicht betreten darf. Da laufen dann die ganz krassen Sachen, darüber darf noch nicht mal ich sprechen. Aber die Location ist perfekt, niemand kann hier einfach so reinspazieren. Ein atemberaubender Veranstaltungsort, du hast in der Tat ein Wunder gewirkt.«
»Das Wunder ist eher, dass wir die Polizei noch nicht am Hals haben«, sage ich.
»Ganz einfach: Im Terminal ist ein großes Filmset aufgebaut. Eine perfekte Tarnung, alle stecken in Kostümen. Ein Polizist vom nächsten Revier war schon da, wir haben ihm ein Abendessen ausgegeben. Der denkt, hier unten sind Garderobe und Maske. Diesen Bekannten von dir hab ich auch gesehen, den mit dem Schnauzbart. Komischer Typ, saß mit einer Matrosenmütze auf der Treppe. Wahrscheinlich will er eine Rolle in dem Film.«
Gerd. Das Bild versetzt mir einen Stich mitten ins Herz. Letzten Endes sind beide Welten kollidiert – die eine ein unersättlicher Widerling, der alles auf seinem Weg verschlingt und dabei lauthals lacht, die andere eine Welt der einfachen Freuden, der direkten Antworten und der Pferde auf Fluren.
Mich packt der Drang, Gerd zu suchen und zur Piratenburg zu rennen; das aber würde unaushaltbar stark wehtun. Stattdessen richte ich meine volle Konzentration auf die Deadline des Abends und beschließe, mich um ein paar letzte Details zu kümmern, bevor es dafür zu spät ist. Ich wende mich an Thomas:
»Würdest du mit mir einen Tropfen Symphony trinken?«
»Der ist im Brunnen, und wir dürfen nicht rein.«
»Ich habe noch welchen übrig – warte hier.«
Schnellen Schrittes durchquere ich den Bahntunnel und schließe mit dem gelben Schlüssel den Kiosk-Lagerraum auf. Drinnen packe ich den Inhalt meines Segeltuchsacks aus und nehme den Wein und meinen bayrischen Anzug heraus. Der Anblick des Miesbacher Huts lässt mich kurz innehalten und an meine ersten Tage in Berlin denken, die noch gar nicht so lange zurückliegen, aber gefühlt schon eine Ewigkeit her sind – damals, als der geheimnisvolle Gerd Specht noch übermenschlich groß über allem aufragte. Rückblickend waren das Tage der Ahnungslosigkeit. Mein Limbus hatte eine Kindheit und ein mittleres Alter und stürzt jetzt steil auf seinen Tod zu. Ich spüre, wie er sich nach Schlaf sehnt – ein ganz neuer Widerwille gegen den Exzess.
Vielleicht verlangt es ihn auch nach Heimkehr, nach meinen wimmeligen Inseln, nach Pie und Chips, einem Pint und einer Runde Darts. Was für ein Limbus.
Nachdem ich den Sack mit neuem Inhalt gefüllt habe, übergebe ich Thomas den Marius und beeile mich, zum Flugfeldtunnel zu kommen. Am Ende des Tunnels begrüßt mich das Tuckern eines Generators, und der Geruch nach Kerosin liegt in der Luft. Die Türen des Jets stehen offen, die Innenbeleuchtung ist an, auf die Flügel hat der Frost Muster gemalt. Ein zweiter Jet steht jetzt hinter dem ersten, und ein Mann läuft auf der Rollbahn in der Nähe herum. Er kommt mir bekannt vor, und ich identifiziere ihn als einen aus Didiers Mannschaft. Ich bleibe im Eingangsbereich des Tunnels, bis Gottfried aus der Dunkelheit auftaucht. Der Wachposten sieht ihn und nickt, offensichtlich hält er mich in meinem Umhang für einen Teil der Event-Crew. Ich übergebe Gottfried den Sack; er öffnet ihn und hält ihn ins Licht.
»Wann starten sie die Triebwerke?«, flüstert er.
»Genau zehn vor zwölf. Geht deine Uhr richtig?«
»Natürlich! Ich habe sie selbst gebaut. Ich stelle sie auf zwanzig vor, ich will kein Bodenpersonal in der Nähe haben.« Nachdem er eine Weile im Sack herumgewühlt hat, bricht er ab und schnalzt mit der Zunge: »Ich werde die Zigarre am Morgen vermissen. Und wart’s nur ab, Specht wird wegen seiner Sechzig-Euro-Kiste heulen wie ein kleines Mädchen. Darauf wette ich einen Kognak.«
»Alles für einen guten Zweck. Sicher, dass du kein Risiko eingehst?«
»Ich bin
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