Das Buch Ohne Gnade: Roman
Kapital im Kasino einsetzen. Sobald er einen anständigen Gewinn eingestrichen hätte, würde er zwanzigtausend in Hundertdollarscheinen in den Umschlag stecken, ihn zukleben und aufs Empfangspult legen. Niemand würde etwas bemerken.
Als er sich seinen Plan zurechtlegte, hatte er die Absicht gehabt, beim Spielen auf Nummer sicher zu gehen und nur einen kleinen Gewinn zu machen. Doch als er zum Kasino im Parterre hinunterfuhr, hatte er entschieden, dass er erst aufhören würde, wenn er den Betrag verdoppelt hätte. Zwanzigtausend für Sanchez und zwanzigtausend für den Profikiller, wer auch immer er war. Das war nur fair. Seine Handflächen waren schweißnass, als er den Fahrstuhl verließ und das Kasino betrat. Ein dicker Treffer, und sein Kurzurlaub startete auf eine Weise, wie er sie sich besser nicht vorstellen konnte.
Das Kasino schien direkt aus einem von Sanchez’ Träumen zu stammen – außer dass die Croupiers keine Affen in roten Anzügen und Hüten waren; Sanchez’ Träume waren gelegentlich ein wenig seltsam. Es war riesig und üppig ausgestattet, und die Beleuchtung verlieh dem Saal einen strahlenden goldenen Glanz. Der Teppichboden war purpurrot und ähnelte dem Rot der Westen, die von den Croupiers und Serviererinnen getragen wurden. Und überall waren Gäste. Und nicht nur sie, sondern auch der Klang rollender Würfel, von Spielkarten, die klatschend auf mit grünem Tuch bezogene Tische geworfen wurden, von rotierenden Rouletterädern, dazu die lauten Freudenrufe glücklicher Gewinner und die traurigen Seufzer enttäuschter Verlierer sowie das Klimpern von Münzen, die in die Auffangschalen von Spielautomaten regneten. Es war alles da.
Sanchez fühlte sich wie im Himmel.
Zu seiner Linken standen in langen Reihen Geldspielautomaten, die vorwiegend von älteren Leuten benutzt wurden. Direkt vor ihm befand sich eine Bar mit zahlreichen Hockern, dievon ein paar Verlierern besetzt wurden, die dort die Trauer über ihr Spielpech ertränkten. Rechts sah er die Roulette- und Black-Jack-Tische, insgesamt etwa zwanzig an der Zahl. Jeder Tisch war mit einem Croupier und drei oder vier Spielern besetzt und bot ausreichende Möglichkeiten für Sanchez. Er konnte sich irgendeinen Tisch aussuchen, aber welches Spiel gefiel ihm am besten? Black Jack, Poker, Würfeln oder Roulette?
Was er brauchte, war ein Zeichen. Er war nicht besonders abergläubisch, aber er glaubte an glückliche Vorzeichen. Er spürte, dass irgendeine Art Omen ihm den richtigen Weg weisen würde. Und ein solches Zeichen entdeckte er beinah sofort. Etwa in der Mitte des Raums stand ein Roulettetisch, an dem drei Spieler saßen und ihr Glück versuchten. Einer war die selbsternannte Mystische Lady Annabel de Frugyn.
Volltreffer! Trotz seiner persönlichen Abneigung war sie genau die Person, die er hier anzutreffen gehofft hatte. Wenn die Gerüchte zutrafen, dann konnte diese verrückte alte Krähe in die Zukunft schauen. Wen gäbe es Besseres, an den er sich halten konnte?
Sanchez machte sich auf den Weg zum Tisch und steuerte auf Annabel zu. Sie saß auf einem Hocker zwischen zwei zierlichen Chinesinnen mittleren Alters. Jede von ihnen hatte hohe Chipsstapel vor sich aufgebaut, die vermuten ließen, dass sie alle gewannen. Oder dass sie gerade erst angefangen hatten zu spielen. Sanchez griff sich einen freien Hocker von einem anderen Tisch und schob ihn zwischen die Mystische Lady und die kleinere der beiden Chinesinnen, die er ein wenig zur Seite drückte, damit er sich links neben Annabel drängen konnte. Die Tatsache, dass er neben ihr erschien, hatte die gewünschte Wirkung. Sie freute sich offensichtlich, ihn zu sehen.
»Ich wusste, dass Sie es nicht ohne mich aushalten würden, Sanchez«, sagte sie und blinzelte ihm auf ihre entsetzliche kokette Art zu.
»Haha! Ja, das stimmt wohl«, erwiderte er mit mühsam gespielter Begeisterung. »Und, hatten Sie bis jetzt Glück?«
»Aber ja. Ich habe gerade eine richtige Gewinnsträhne, Sanchez. Der Hotelmanager hat mir fünfhundert Dollar gegeben, und die habe ich bereits verdreifacht.« Nun, sie hatte ja wirklich fünfhundert Dollar von Powell erhalten. Sanchez brauchte nicht zu wissen, wie sie sich die verdient hatte.
Sanchez griff nach dem Umschlag, den er sich vorne in den Hosenbund gesteckt hatte. Er hatte ihn tief hineingeschoben und handelte sich einige irritierte Blicke von den anderen Spielerinnen ein, als er drei- oder viermal daran zerren musste, bis er herausrutschte. Das
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