Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
straff nach hinten gekämmten und zu einem Dutt zusammengesteckten Haar an. Für eine Frau Mitte dreißig sah sie nicht sehr frisch aus.
»Jawohl, Miss. Ich habe gerade das Diätbuch für Kleinwüchsige zurückgestellt.«
»Auf das unterste Regal, damit Kleinwüchsige es auch finden?«
»Nein, nicht direkt, Miss. »
Ulrika verzog das Gesicht noch mehr und sprang aus ihrem gepolsterten Plastiksessel auf.
»Es ist zum Verzweifeln!«, seufzte sie. »Es ist wirklich zum Verzweifeln! Ich gehe und stelle es selbst an seinen richtigen Platz zurück.« Sie umrundete ihren Schreibtisch und kam durch eine gefederte Klappe hinter dem Empfangsschalter hervor zu Josh.
»Entschuldigung«, stammelte er, als sie an ihm vorbeirauschte zur Kochbuchabteilung im hintersten Teil des riesigen Saals voller Bücherregale. Sie hörte sein Gemurmel und blieb für eine Sekunde oder so wie angewurzelt stehen, ohne sich zu ihm umzudrehen. Er konnte sehen, wie die schrecklichen blauen Adern unter dem Rocksaum ihres blauen knielangen Kostüms zuckten. Nach einer kurzen Pause wandte sie sich um.
»Mach dir keine Gedanken. Eines Tages wirst du besser … vielleicht. Bis dahin kannst du schon einmal das Sesamstraße -Jahrbuch wegräumen. Danach kannst du nach Hause gehen. Ich ertrage deinen Anblick heute nicht mehr länger.«
»Was denn für ein Sesamstraße -Jahrbuch?«
»Es liegt hinter dem Schalter irgendwo. Es ist nicht schwierig zu erkennen, wirklich nicht! « Ulrika Price war verärgert, und sie gab sich keine Mühe, es vor Josh zu verbergen.
»Okay, ich lege es zurück, und dann bin ich weg. Danke, Miss. Und gute Nacht.«
Ulrika antwortete nicht, sondern ging einfach weiter zur Kochbuchabteilung, während sie Ausschau hielt nach jungen Leuten, die sie entweder beraten oder des Diebstahls von Büchern beschuldigen konnte.
Josh beugte sich über den Tresen, um nach dem Sesamstraße -Jahrbuch zu suchen. Das einzige Buch jedoch, das er sehen konnte, war ein schwarzer Band auf dem unteren Teil des Schreibtischs, an dem Ulrika bei ihrem Telefongespräch gesessen hatte. Er streckte die Hand danach aus und nahm es hoch. Es war schwer und groß, und er benötigte all seine Kraft, um es in seiner ungünstigen Lage halb über dem Tresen hochzuheben. Sobald er das Buch sicher in den Händen hielt, warf er einen Blick auf den Titel. Das Buch des Todes stand dort.
Heilige Scheiße! , dachte er bei sich. Diese Sesamstraße -Jahrbücher haben sich aber auch ein ganzes Stück verändert seit meiner Kindheit .
Weil er Ulrika nicht weiter verärgern wollte, dachte er erst einmal gründlich nach, wohin er das Buch am besten stellte. Die Kinderbuchabteilung schien ihm wirklich nicht geeignet. Also wo dann?
Nachschlagewerke. Wenn du Zweifel hast, stell ein Buch in die Abteilung für Nachschlagewerke. Es war eine Regel, die ihm während seiner Zeit in der Bibliothek gute Dienste geleistet hatte. Warum jetzt etwas daran ändern? Weil er nicht mehr in der Nähe sein wollte, wenn Ulrika aus der Kochbuchabteilung zurückkehrte, eilte er zu den Nachschlagewerken, schob das Buch in eine freie Lücke im Regal und flüchtete anschließend mit wehenden Rockschößen aus der Bibliothek, um noch schnell irgendwo eine Kleinigkeit zu essen, bevor er sich auf den Weg zu seiner nächtlichen Arbeitsstelle machte.
Als Ulrika zu ihrem Schreibtisch zurückkehrte, stellte sie erschrocken fest, dass das Buch des Todes verschwunden war, zusammen mit Josh. Das kam einer Katastrophe gleich. Das Buch war nicht für die Augen der Öffentlichkeit gedacht. Es war ein ganz spezielles Buch, das sie in einem Safe aufbewahrte und nur hervornahm, wenn sie die entsprechende Anweisung erhielt. Ihr Herr und Meister, der große Rameses Gaius, hatte ihr die Ehre erwiesen, Bewahrerin des mächtigsten Buches in der Geschichte der Menschheit zu sein. Und heute Abend war einer jener Abende. Er hatte sie instruiert, das Buch aus dem Safe zu nehmen und einige Namen hineinzuschreiben.
Wenn sie weiterhin seine Geliebte sein wollte und wenn sie die Unsterblichkeit und immerwährende Schönheit erlangen wollte, die er ihr als Belohnung für ihre Dienste versprochen hatte, dann musste sie das Buch finden, bevor es in die falschen Hände gelangte. Und wenn Rameses Gaius jemals herausfand, wie unvorsichtig sie gewesen war, dann, so befürchtete sie, würde ihre Zeit auf der Erde ein abruptes und sehr schmerzvolles Ende erfahren.
Fünfundvierzig
Hunter drehte sich um. Kaum dass er die Nummer des
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