Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
unterwegs waren. Wer also war dieser Mann? Und was wollte er hier?
Die Fahrertür des Interceptor öffnete sich, und eine Gestalt in einem Kapuzenumhang stieg aus. Es gab keine Straßenbeleuchtung, und die Fenster der umliegenden Gebäude waren ausnahmslos dunkel. Aus der Luft betrachtet sah es aus, als wäre die gesamte Stadt von einem Stromausfall betroffen. Doch das war nicht der Fall. Es war eine alte Tradition in Santa Mondega, dass in der Nacht eines blauen Mondes nur dessen Licht in der Stadt erlaubt war. Abgesehen davon war immer noch Geisterstunde, und wer nicht sicher in seinem Bett unter der Decke lag, bettelte förmlich um Ärger, indem er sich offen den Untoten anbot, quasi als Beute für Vampire und Werwölfe. Keine kluge Entscheidung, insbesondere zu Halloween.
Die dunkle, verhüllte Gestalt schloss die Wagentür und schritt zur Vordertür der Kirche, den Kopf gesenkt, um dem schlimmsten Regen zu entgehen. Sie hatte viele Jahre keinen Fuß mehr in ein Gotteshaus gesetzt. Dieser Abend war ein wichtiger Abend. Es war Zeit für die Beichte.
Die Kirchentüren öffneten sich mit einem leichten Stoß. Es war drinnen nicht wärmer als draußen, doch wenigstens war es trocken und einladend. Der Kid schritt den Mittelgang hinunter, vorbei an den Reihen von Kirchenbänken bis zum Altar. Er kannte sich aus in dieser Kirche aus der Zeit vor vielen Jahren, als er seinen kleinen Bruder häufig zur Sonntagsschule begleitet hatte. Es war, als hätte er erst gestern den Fuß zum letzten Mal in das Gotteshaus gesetzt, als er vor dem Altar nach links abbog und um einen großen Pfeiler herum zu dem Beichtstuhl an der Seite ging. Er trat ein und kniete nieder.
Der Vorhang auf der Priesterseite des Gitters wurde zurückgezogen. Es war viel zu dunkel, um die Gesichtszüge des heiligen Mannes auszumachen, doch er sprach mit sanfter, leiser Flüsterstimme durch das Gitter hindurch.
»Willkommen, mein Sohn. Ich bin hier, um deine Beichte zu hören.«
»Danke, Vater«, lautete die Antwort. Die Stimme klang entschieden rau. Rau wie Schmirgelpapier. »Wo soll ich anfangen?«
»Wann war deine letzte Beichte?«
»Scheiße, Vater, ich weiß es nicht. Vor zwanzig Jahren vielleicht.«
»Zwanzig Jahre?« Ein leises, ungläubiges Lachen auf der anderen Seite. »Du warst sehr beschäftigt, nehme ich an?«
»Ja, Vater. Mit Morden.«
»Wie bitte?«
»Ich habe gemordet, Vater. Massakriert. Ich habe viele Menschen umgebracht. Viele, viele Männer …«
»Ach, du lieber Gott, das ist schlimm. Ist es …«
»... und Frauen.«
»Frauen auch?«
»Und Kinder. Vampire, Werwölfe, Jugendliche, Tiere. Ich habe mehr oder weniger jede Kreatur umgebracht, die Gott je erschaffen hat, und alles ohne jede Reue. Viele, viele Jahre lang. Und heute bin ich gekommen, um zu beichten.«
Eine Pause entstand, und es klang ganz so, als hielte der Priester den Atem an. Schließlich stieß er die Luft ganz langsam und leise wieder aus, bevor er zu einer Antwort ansetzte.
»Ist das ein Witz?«
»Nein, Vater. Ich habe jede Sünde begangen, die Sie sich nur vorstellen können, und noch eine ganze Menge mehr, die Ihnen nicht einmal im Traum einfallen würden.«
»Ich verstehe. Und was, glaubst du, hat dich dazu gebracht, all diese schlimmen Dinge zu tun?«
»Es fing damit an, dass ich meine Mutter getötet habe.«
»Du … du hast deine Mutter getötet?«
»Ja. Ich habe sie erschossen. Ein halbes Dutzend Kugeln, nachdem ich eine Flasche Bourbon getrunken hatte.«
Eine neue Pause entstand, und nicht das leiseste Geräusch war zu hören außer dem beständigen Trommeln des Regens auf das Dach und gegen die Fensterscheiben.
»Bourbon? Sagtest du Bourbon?«
»Ja, Vater.« Eine Pause. Dann wieder die raue Stimme. »Ich war dieser Mann.«
Eine Pause von ungeahnter Dimension, durchbrochen von einem nassen, furzenden Geräusch aus der Priesterkabine.
»Verzeihung«, sagte der Priester nervös. »Was für eine Überraschung. Ich war nicht darauf vorbereitet. Ich bitte um Entschuldigung.«
»Ich verzeihe Ihnen, Vater«, sagte die raue Stimme gelassen. »Aber vergeben Sie auch mir? Wird Gott mir die schlimmen Dinge vergeben, die ich getan habe?«
»Empfindest du heute Reue für diese Dinge, die du tust?«
»Getan habe, Vater. Getan habe. Die Tage, an denen ich gemordet habe, sind vorbei. Ich beabsichtige, in Zukunft ein sündenfreies Leben zu führen, wann immer das möglich ist, aber ich muss vorher wissen, ob Gott mir für all die Seelen
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