Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
zitterte nicht länger. Sein Griff um den Revolver war fest, und zum ersten Mal spürte er die Nässe in seinem Gesicht, wo das Blut seiner Mutter ihn vollgespritzt hatte, als die Kugel in ihr Fleisch eingedrungen war. Sie lag tot vor ihm auf dem Boden. Ihre Seele war gegangen, und seine war verloren. Irgendwie war ein Fenster in der Küche aufgeflogen, und ihrer beider Geister waren nach draußen in den nächtlichen Himmel entschwunden.
Er machte zwei Schritte auf den Leichnam zu und blickte für einen Moment auf ihn hinunter. Die schwarzen Augen waren in dem blutigen Gesicht nicht wiederzuerkennen. Das war nicht länger seine Mutter, und er war nicht länger JD , der unschuldige, fröhliche Junge, der sich so unsterblich in Beth verliebt hatte. Er richtete den glänzenden silbernen Revolver auf die leblose Gestalt und feuerte die verbliebenen Kugeln in die Brust und den Kopf des Leichnams. Er traf sein Ziel mit außergewöhnlicher Präzision für einen jungen Mann, der kein erfahrener Schütze war und so viel getrunken hatte.
Als die Kammern der Trommel leer waren, steckte er den Revolver in den Hosenbund und schlug die Kapuze seines Umhangs über den Kopf. Dank Kione hatte er eine wertvolle Lektion gelernt: Wenn du eine Chance hast, jemanden zu töten, dann lass sie nicht verstreichen, unter gar keinen Umständen. Er könnte zurückkommen und dich beißen. Töte zuerst, denke später .
Während er zusah, wie der Leichnam seiner Mutter am Boden zu Asche verbrannte, wurde die Wut in ihm stärker. Hätten die Kerle im Leben seiner Mutter sie nicht so schmählich im Stich gelassen, dann hätte eine gute Chance bestanden, dass alles ganz anders gekommen wäre. Jetzt musste er zum Haus von einem dieser Kerle gehen und seinem kleinen Bruder erklären, was geschehen war, und dass er seine Mutter niemals wiedersehen würde. Das war nicht fair. Das war einfach nicht fair. Schlimme Dinge widerfuhren guten Menschen, und das war nicht richtig. Das hatten Casper und er nicht verdient.
Der Schmerz in JD s Herz war unerträglich. Das Einzige, was ihn bis jetzt halbwegs unter Kontrolle gehalten hatte, war die Befriedigung gewesen, die er selbst beim Austeilen von Schmerz gegen andere verspürt hatte.
Vierzehn
Bull war alles andere als erfreut. Er hatte schon zu besten Zeiten kaum Geduld mit seinem jüngeren Halbbruder. Casper war ein Trottel, und mit ihm war keine vernünftige Unterhaltung möglich, nichts außer kindischen Bemerkungen. Sicher, Bull wusste, dass der Junge nicht ganz richtig war im Kopf. Tief im Innern tat er ihm sogar leid, doch in Augenblicken wie diesem konnte er nicht anders, als zu denken, dass es dem kleinen Bastard recht geschah.
Bulls Mutter und Vater hatten sich vor Jahren für eine kurze Weile getrennt, und während dieser Zeit war Russo, sein Dad, bei einer Hure untergekrochen. Die Hure war schwanger geworden, und das Ergebnis war Casper gewesen. Ein zurückgebliebener Sohn einer Hure. Bulls Vater hatte immer vermutet, dass die Hure, Maria, ihn mit der Schwangerschaft hereingelegt hatte, und er hatte ihr nicht lange nach der Geburt des Jungen den Laufpass gegeben. Unglücklicherweise jedoch war das Gesetz auf Seiten von Maria, und nach einem Vaterschaftstest hatte er ihr wöchentlichen Unterhalt zahlen müssen und hin und wieder sogar für den Fehltritt namens Casper den Babysitter spielen müssen.
Heute war so eine Gelegenheit. Weder Russo noch sein fünfzehn Jahre alter Sohn Bull hatten die Geduld, sich mit Casper, seiner übererregbaren Natur und den Augenblicken unkontrollierbarer Hyperaktivität zu beschäftigen. Sie hatten im Wohnzimmer vor einem warmen Kaminfeuer gesessen und eine Partie Schach gespielt. Beide trugen passende blaue Pyjamas und purpurne Morgenmäntel, bereit, sich für die Nacht zurückzuziehen, und eine Störung von außen, egal durch wen, war höchst unwillkommen.
Ganz besonders dann, wenn die Störung durch ein so ermüdendes Individuum wie Casper verursacht wurde.
Und doch saß er nun hier bei ihnen in ihrem eigenen Haus und plapperte dummes Zeug. Dass er bleiben müsste, bis sein älterer Bruder JD ihn abholen kam. Er redete noch wirrer als für gewöhnlich, und sowohl Russo als auch Bull waren überzeugt, dass es etwas mit JD zu tun haben musste, den sie beide gleichermaßen verabscheuten. Der Junge war ein Querkopf, dem es an Disziplin mangelte, der regelmäßig das Gesetz brach und doch jedes Mal damit durchkam, und er war überdies ein harter kleiner Bastard. Er
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