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Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens
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hatte den Eindruck, dass der große Mann schon sein Stunden so dasaß und über seine Schwester wachte.
    Gabriel, dessen Kopf verbunden war, stand auf und schloss Michael in seine Arme.
    »Ich bin so stolz auf dich.«
    »Oh, na ja … weißt du …« Michael fehlten mit einem Mal die Worte. »Es war keine große … ach, du weißt schon …«
    Michael wollte Gabriel das Messer zurückgeben, aber der weigerte sich, es anzunehmen.
    »Du hast es dir redlich verdient. König Robbie wäre gewiss derselben Meinung.«
    Michael bedankte sich und steckte das Messer wieder in seinen Gürtel.
    Das rote, ledergebundene Buch lag auf dem Tisch neben dem Bett. Michael hatte seine Magie gleich gespürt, als er den Raum betrat. Es juckte ihn in den Fingern, das Buch in die Hand zu nehmen. Aber als er Gabriels Platz auf dem Stuhl einnahm, richtete er zunächst seine ganze Aufmerksamkeit auf seine Schwester. Abgesehen von der Tatsache, dass sie nun unter Decken auf einem Bett lag, befand sie sich noch in demselben Zustand wie vorher. Ihre Augen starrten ins Leere. Auf ihrem Gesicht lag nach wie vor ein Ausdruck von Zorn, der Mund war leicht geöffnet. Michael nahm die zur Faust geballte Hand, die auf der obersten Bettdecke lag. Sie war kalt wie Stein.
    Alles wird gut, dachte er. Ich bin jetzt bei dir.
    Und dann wandte er sich dem Buch zu.
    Es war kleiner und dicker als das Buch Emerald. Die Form erinnerte ihn an Alles über Zwerge , ein Buch, das Michaels Vorstellung von Vollkommenheit ziemlich nahe kam. Wie er geahnt hatte, war die Chronik des Lebens vom Feuer und der Lava unversehrt geblieben. Tatsächlich befand sich das Buch in einem viel besseren Zustand als sein Zwergenhandbuch, dessen schwarzer Ledereinband verkohlt und vom Alter abgewetzt war. Michael sah, dass in den Einband der Chronik ein Muster eingeprägt war. Er war sich nicht sicher, um was genau es sich handelte, aber die Wellen und Wirbel ließen ihn an Flammenzungen denken. Einen Moment lang überlegte Michael, ob dieses Muster eine Bedeutung hatte; dann schob er diese Frage beiseite und wandte sich dem auffälligsten und ungewöhnlichsten Teil des Buches zu.
    Zwei Metallhäkchen, die sich über den Buchrücken wölbten, hielten etwas umklammert, das aussah wie ein altmodischer Stift. Er war etwa fünfzehn Zentimeter lang, glatt und schmal, und das eine Ende lief schräg zu. Er schien aus Knochen zu bestehen.
    »Was ist das?«
    »Das ist der Griffel.« Prinzessin Wilamena stand hinter ihm, und obwohl er ihr den Rücken zuwandte, war sich Michael überdeutlich ihrer Gegenwart bewusst, und der Tatsache, dass ihr Haar nach Frühling und Honig roch und …
    Konzentrier dich! , beschwor er sich.
    »Was macht man damit?«
    »Ach Dummchen, man setzt damit die Magie der Chronik in Gang! Du musst den Namen der Person, die du zu heilen wünschst, aufschreiben – und fertig! Die Sache ist erledigt. Das ist doch praktisch, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Michael. »Das ist es wirklich. Danke.«
    »Habe ich dafür nicht einen Kuss verdient?«
    Michael überhörte die Frage geflissentlich. Er zog den Griffel aus den Klammern. Er war leicht – als ob er hohl wäre.
    »Und jetzt muss ich nur Emmas Namen in das Buch schreiben? Das scheint mir viel zu einfach zu sein.«
    Das Elfenmädchen lachte. »Weißt du überhaupt, was die Chronik ist, du Häschen?«
    »Ich habe dir doch gesagt, dass du …«
    »Schon gut. Sei still und hör zu, dann kannst du etwas lernen. Die Chronik ist ein Archiv, man könnte fast sagen das Archiv, und zwar von allem Leben. Jede Kreatur, die läuft, spricht, atmet, singt, lacht, weint oder Seifenblasen pustet – ich liebe Seifenblasen, wusstest du das? –, also jede lebendige Kreatur ist in der Chronik verzeichnet. Und die Liste verändert sich ständig, so wie das Leben um uns mit jeder Sekunde vergeht oder neu geboren wird. Aber wenn du jemandes Namen in das Buch schreibst, dann fügst du diese Person einer ganz besonderen Liste zu.«
    »Aber Emma ist doch schon am Leben, sie ist nur eingefroren …«
    »Wie ich gerade erklären wollte: Die Chronik ist vor allem ein Archiv, aber der Griffel ermöglicht es dir, die Macht des Buches – die Macht des Lebens – auf ein bestimmtes Wesen zu konzentrieren, entweder, um es ins Leben zu rufen, oder – wie im Falle deiner lieben kleinen Schwester –, um es zu heilen. Alles, was du tun musst, ist, den Namen niederzuschreiben, mit deiner lieben kleinen Hasenhand.« Dann hörte Michael, wie sie Gabriel zuflüsterte:

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