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Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens
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ihnen. Ihre Augen waren rot, als hätte sie geweint, und erst jetzt fiel Michael auf, dass sie nicht da gewesen war, als er erwachte. Aber er fragte nicht weiter nach; dazu blieb keine Zeit.
    »Das Band ist bereit.«
    Die Elfenprinzessin streckte den Arm aus.
    »Ich bin es auch.«
    Gabriel kämpfte immer noch Seite an Seite mit den Elfen auf dem Wehrgang, als ein Aufbrüllen im Hof ihn herumwirbeln ließ. Gabriel erkannte das Brüllen, wusste genau, welche Kreatur es ausgestoßen hatte. Einen Moment lang zweifelte er an seinem Verstand. Das war nicht möglich! Doch da sauste schon ein goldener Schemen an ihm vorbei, und im Aufblicken sah er, wie sich die letzten Strahlen der untergehenden Sonne auf den Schuppen des Drachen widerspiegelten. Totenstille legte sich über die Festung. Angreifer und Verteidiger gleichermaßen waren wie erstarrt und schauten himmelwärts.
    Schritte klapperten die Leiter hinauf, und dann waren Michael und Emma bei ihm, atemlos und mit geröteten Wangen.
    »Gabriel!«, rief Emma. »Hast du das gesehen? Das waren wir! Hast du’s gesehen?«
    Sie deutete zum Himmel, aber Gabriel starrte die Kinder an.
    »Ihr wart das?«
    »Na ja, Michael hat das meiste gemacht, aber ich habe beim Feueranzünden geholfen.«
    Michael fühlte die sorgenvollen Augen des großen Mannes auf sich ruhen. Gabriel wusste nichts von der Heilung des Wächters oder dass er, Michael, derjenige war, der Wilamena das Band angelegt hatte und damit nun ihr Meister war.
    »Keine Angst, sie ist auf unserer Seite«, erklärte er.
    Michael gab sich alle Mühe, zuversichtlich zu klingen, aber in Wahrheit hatte ihn die Verwandlung der Elfenprinzessin zutiefst verunsichert. Es war eine Sache zu wissen, dass jemand zum Drachen wird, und eine ganz andere, es leibhaftig mitzuerleben.
    Michael hatte das Band über Wilamenas Handgelenk gestreift und dabei unwillkürlich die Zartheit ihrer nach Honig duftenden Haut bewundert, als seine Finger plötzlich eine Stelle berührten, die ein wenig rau war. Neugierig hatte er sie betrachtet und bemerkt, dass sich goldene Schuppen auf ihrem Arm ausbreiteten, dass ihre Fingernägel sich verdickten und zu Krallen anwuchsen. Er fing gerade an, sich ein wenig unbehaglich zu fühlen, als eine tiefe, leicht singende Stimme zischte: »Tritt zurück, Hasi.« Als Michael aufblickte, sah er, wie Wilamenas blaue Augen die Farbe von Blut annahmen. Der Wächter riss ihn und Emma zurück und kurz darauf zerbarst der hölzerne Unterstand und der goldene Drache trat in seiner ganzen schrecklichen Pracht heraus.
    Wilamena war jetzt schon hoch über der Festung. Michael starrte hinauf, unsicher, was er tun musste, wie das Band zwischen ihm und dem Drachen aktiviert wurde, als die Elfenprinzessin plötzlich zu ihm sprach. Er hörte ihre Stimme nicht in seinem Kopf, es war nicht so greifbar. Mehr das Gefühl, dass sie da war; er brauchte sich keine Sorgen zu machen; sie hatte alles im Griff.
    Zum ersten Mal, seit Emma ihn mit dem Eimer voll kaltem Wasser übergossen hatte, hob sich Michaels Laune ein wenig.
    Schau gut hin.
    Die Armee des Feindes bedeckte die gesamte Ebene von der Festung bis zum Waldrand; ein Dutzend Belagerungsleitern mit Gnomen und Kreischern auf den Sprossen lehnten an der Wehrmauer. Alles war wie erstarrt; niemand hatte sich seit dem Auftauchen des Drachen gerührt. Alle warteten ab, was er tun würde. Dann vollführte der Drache einen Looping und stürzte aus dem Himmel herab. Michael fühlte einen heißen Wind, als er vorbeijagte, dann das Geräusch von zersplitterndem Holz. Die Leitern knickten wie dürre Stöckchen und die Gnome und Kreischer wurden zu Boden geschleudert.
    »Hast du das gesehen?«, rief Emma und packte Gabriel am Arm. »Hast du das gesehen?«
    Rourkes Armee geriet in Unordnung. Die Ungeheuer wussten nicht, ob sie ihren Angriff gegen die Festung fortsetzen oder sich der neuen Bedrohung widmen sollten. Die Elfen nutzten die Gelegenheit und schickten Pfeil auf Pfeil in ihre Mitte. In der Zwischenzeit wendete der Drache und flog im Sturzflug auf die Armee zu, wobei er eine mächtige Flamme ausstieß. Aus der Unordnung wurde Chaos, und minutenlang sahen die Belagerten zu, wie der Drache die Angreifer massakrierte. Schließlich landete er inmitten der Armee und stieß einen Flammenstrahl aus, der zu einem Feuerwirbelsturm wurde, als er sich um die eigene Achse drehte.
    »Oh-oh«, sagte Emma, »Wilamena scheint echt wütend zu sein.«
    Michael sagte nichts, sondern blickte nach rechts

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