Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens
Vom Netzwerk:
gerettet hast. Mich befreit hast aus den Händen dieser … Dinger.«
    »Der Gnome.«
    »Ja.«
    »Jake und Beetles wollten dich höchstpersönlich retten. Was ich getan habe, habe ich zu ihrem Schutz getan.«
    Er stand da, die Hand auf dem hölzernen Geländer, und Kate suchte in seinem Gesicht nach einem Zeichen des Erkennens, nach einem Hinweis darauf, dass sie ihm schon früher begegnet war.
    Aber da war nichts.
    Kate spürte, wie sie verlegen wurde, und zog ihren Mantel fester um sich. Sie begriff nicht, was hier vor sich ging, wer dieser Junge war, woher diese Kinder kamen, aber sie sagte sich, dass es keine Rolle spielte. Wichtig war nur, dass es ihr gelang, nach Cambridge Falls zu kommen, zu Dr. Pym, und dass sie gemeinsam mit ihm einen Weg fand, zu Emma und Michael zurückzukehren.
    »Hör zu, ich bin dir wirklich dankbar …«
    »Das sagest du bereits.«
    »Aber ich muss fort. Ich habe einen langen Weg vor mir, und je eher ich aufbreche, desto besser.«
    »Wo willst du hin?«
    »Nach Norden.«
    »Und wie willst du dahin kommen?«
    Kate scharrte nervös mit den Füßen. »Ich weiß nicht. Ich wollte den Zug nehmen.«
    »Hast du Geld für eine Fahrkarte?«
    »Nein, aber …«
    »Vermutlich hast du auch kein Geld für Essen, oder?«
    Kate schwieg.
    »Es wird bald dunkel und dann wird es viel kälter werden. Auch mit dem Mantel bist du viel zu dünn angezogen. Wie willst du dich warm halten?«
    »Ich weiß nicht, aber …«
    »Sieht so aus, als wüsstest du nicht viel. Außer, wie du am schnellsten erfrierst.«
    Kate machte den Mund auf, um zu widersprechen, aber der Junge ließ sie nicht zu Wort kommen. »Du musst mit dem Boss reden.« Und damit stieg er die Treppe hinauf. Nach ein paar Augenblicken folgte ihm Kate schmollend.
    Der Glockenturm war hoch und keiner von ihnen sprach während des Aufstiegs. Hier und da waren einzelne Stufen zersplittert, Bretter hingen lose oder fehlten ganz. Sie mussten über die Lücken springen und bei jedem Sprung spürte Kate ganz deutlich den Abgrund unter sich. Aber jedes Mal behielt sie der Junge fest im Blick, jederzeit bereit, sie aufzufangen, falls sie ausrutschte. Sie achtete sorgfältig darauf, wo sie hintrat. Sie wollte ihm nicht noch einmal danken müssen.
    Je höher sie kamen, desto kälter wurde es. Der Wind, der durch die Ritzen in den Wänden blies, wurde immer stärker. Kate wurde schwindelig. Sie fühlte sich ganz hohl; sie hatte nichts mehr gegessen, seit Jake und Beetles die Kartoffel mit ihr geteilt hatten. Und davor? Wann war ihre letzte richtige Mahlzeit gewesen?
    Oben im Glockenturm hockten Dutzende Tauben auf den Seilen um den Glockenstuhl und gurrten leise. Das Gefieder hatten sie zum Schutz gegen die Kälte aufgeplustert. In der Mitte des Dachs prangte ein großes, zerklüftetes Loch, und Kate sah ein Stück des grauen Winterhimmels.
    Durch eine Falltür, die offen stand, führte eine Leiter hinauf.
    »Warte mal …«
    Der Junge drehte sich um, den Fuß auf der ersten Sprosse. »Was ist jetzt schon wieder?«
    Er schaute sie an und Kate verspürte ein Beben in ihrer Brust. Das Gefühl war nicht neu. Sie hatte es schon einmal gefühlt, unten, in dem Unterrichtszimmer, als sie neben ihm gestanden und er seine Hand ins Feuer gelegt hatte. Aber jetzt, als sie hier allein in dem engen Glockenturm waren und er sie unverblümt anschaute, war das Gefühl noch stärker und stiftete in ihrem Herzen eine große Verwirrung.
    »In der Gasse. Als du mich gerettet hast. Es hatte den Anschein, als würdest du mich kennen. Wie ist das möglich?«
    Der Junge betrachtete ihr Gesicht. Es war so, als würde man von einem wilden Tier taxiert werden; in seinem Blick lag etwas Ungezähmtes, das einem Angst einjagen konnte. Kate zwang sich, ihm standzuhalten.
    »Ich habe mich geirrt«, sagte Rafe. »Du siehst bloß jemandem ähnlich, den ich kenne.« Er stieg die Leiter nach oben und ließ Kate stehen. Sie atmete tief ein und aus, bis der Junge zu ihr hinunterrief: »Kommst du?«
    Sie kletterte durch die Falltür und stand im Freien. Das Dach des Glockenstuhls bestand aus einer großen, rechteckigen Fläche, gekrönt von einem spitzen Turm, der von Säulen getragen wurde. Kate musste unwillkürlich an einen riesigen Pavillon denken. Das Ganze hatte zwar ein Dach, aber keine Wände. Drei riesgengroße Eisenglocken, die genauso aussahen wie jene am Fuß des Glockenturms, hingen über ihr. Sie sah die Stelle, wo die heruntergefallene Glocke gehangen hatte, wie eine Zahnlücke in

Weitere Kostenlose Bücher