Das Buch Rubyn
»dass Rauchen ungesund ist?«
Die Jungen fanden diese Behauptung zum Schreien komisch.
»Hör sich das einer an, Rauchen soll ungesund sein!«, kicherte Beeltes. »Wo doch jeder weiß, dass der Körper hin und wieder ein Pfeifchen braucht.«
»Die beste Medizin auf der Welt!«, nickte Jake und blies wieder einen Kringel.
»Rauchen is ungesund! Ha, ha!«
»Und ausgerechnet sie muss uns sagen, was gesund und ungesund is«, ergänzte Jake. »Ham wir ihr nich gesagt, sie soll sich von dieser Hexe fernhalten?«
»Ham wir«, pflichtete Beetles ihm bei. »Wir ham’s ihr gesagt, aber sie hat’s trotzdem getan.«
»Also gut«, sagte Kate. »Das nächste Mal höre ich auf euch.«
»Das wär besser«, meinte Beetles, »weil wir Rafe nich immer rechtzeitig finden können, wenn du in Schwierigkeiten steckst.«
»Dieser Rafe … ist er dejenige, der mich hierher gebracht hat?«
»Ja«, antwortete Beetles. »Du warst ohnmächtig. Rafe musste dich den ganzen Weg tragen.«
Kate dachte an die Decke über ihren Füßen und fragte sich, ob derselbe wilde Junge, den sie in der dunklen Gasse erlebt hatte, dafür verantwortlich war.
»Wo ist er?«
»So so, das is ja ma ganz was Neues, was, Master Jake?«, grinste Beetles. »Plötzlich will sie den guten Rafe doch sehen!«
»Klar, weil sie in ihn verknallt ist, oder was meinst du?«
Kate spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg, und war dankbar für das schummrige Licht.
»Ich will ihm danken, weil er mein Leben gerettet hat.«
Und ihn fragen, woher er mich kennt.
»Er ist sehr beschäftigt, unser Rafe«, sagte Beetles. »Er hat uns befohlen aufzupassen, dass du nich wegläufst.«
»Obwohl du das jetzt bestimmt nicht mehr tust, wo du ihn doch heiraten willst«, sagte Jake.
»Ganz recht, Master Jake, ganz recht«, kicherte Beetles.
»Du solltest ’nen Laden aufmachen. Den Ich-will-Rafe-heiraten-und-hundert-Babys-von-ihm-haben-Laden«, prustete Jake.
Kate schwieg und wartete, bis sich die beiden beruhigt hatten.
»Wo bin ich hier?«, fragte sie schließlich.
»Im Unterschlupf, natürlich!«
»In was für einem Unterschlupf?«
»In was für einem Unterschlupf?«, wiederholte Jake. »In unserem, was denn sonst! Im Unterschlupf der besten und raffiniertesten Bande von New York!«
»Der ganzen Welt!«, sagte Beetles.
»Ja, die beste Bande der ganzen Welt! Das sind wir: Die Wilden!«
Der Unterschlupf entpuppte sich als alte, verlassene Kirche. Früher einmal war es wohl ein beeindruckendes Bauwerk gewesen, denn als Kate aus dem kleinen Hinterzimmer, in dem sie erwacht war, ins Kirchenschiff trat, war sie sprachlos von dessen Ausmaß. Säulen ragten fast dreißig Meter in die Höhe und stützten eine gewölbte Decke. Viele der Buntglasfenster waren zerbrochen und mit Brettern vernagelt, aber diejenigen, die noch intakt waren, sprenkelten das Innere des alten Gemäuers mit grünen, roten, gelben und blauen Lichtflecken, die sich zu herrlichen und vielfältigen Mosaiken zusammenfanden. Überall auf dem Steinfußboden lagen Decken und Kissen. Mit Laken waren einzelne Bereiche abgeteilt. Kate fand, es wirkte wie der Schlafsaal eines riesigen Waisenhauses.
Sie sah etwa zwanzig Kinder, sowohl Mädchen als auch Jungen. Die meisten waren in Jakes und Beetles’ Alter. Während Kate mit ihren beiden Begleitern zwischen den notdürftigen Lagern hindurchging, fiel ihr auf, dass die Kinder zwar weder besonders sauber noch gut gekleidet waren, dass sie aber alle gut genährt und glücklich aussahen. In ihrem Leben waren Kate und ihre Geschwister schon in vielen Waisenhäusern gewesen, und sie spürten in der Regel sofort, welche Atmosphäre herrschte. War es ein glücklicher Ort, ein trauriger, ein düsterer? Waren die Menschen hier gemein oder großherzig?
Kate wusste sofort, dass dies hier ein guter Ort war.
In der Mitte des Kirchenschiffs standen etliche Kinder an einem langen Tisch und sortierten Gegenstände – Taschenuhren, seidene Tücher, Ringe, Halsketten, Ohrringe, kleine verzierte Dosen, Pelzmäntel und Schals –, während ein Junge mit einer Kladde sorgfältig die Gegenstände auflistete, die die Kinder ihm nannten.
»Was machen sie da?«, fragte Kate.
»Sie sortieren die Tageseinnahmen.«
»Was für Tageseinnahmen?«
»Na, was die einzelnen Gruppen so rangeschafft haben. Ziemlich fette Beute, wenn du mich fragst.«
Kate dämmerte allmählich, wovon die beiden Jungen redeten und worum es sich bei dem Haufen auf dem Tisch handelte.
»Moment mal – ihr
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