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Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens
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klang so schwach und ängstlich, dass nicht einmal er selbst seinen Worten Glauben schenkte,
    Gabriel legte seine Hand auf Michaels Arm. Es war eine merkwürdig sanfte und gleichzeitig elegante Geste. Dann ging er zum Cockpit und Michael lehnte den Kopf gegen die vibrierende Wand des Flugzeugs. Emma rutschte näher an ihn heran. Er schaute aus dem Fenster, aber draußen war alles dunkel. Sie flogen nach Süden, zum Ende der Welt. Er schloss die Augen. Aber es dauerte lange, bis er Schlaf fand.
    Michael träumte von Schnee. Er träumte von weißen Feldern und Tälern, von Ebenen und Bergen, alles überzogen mit Schnee, so weit das Auge reichte. Er flog darüber hinweg. Er schwebte. Er war allein, aber er hatte keine Angst.
    Zwei Riesen kauerten in der Ferne. Er flog näher und näher und schließlich zwischen ihnen hindurch und dann weiter durch die Zähne eines Drachen.
    Dann kam er in einen langen Tunnel. Ringsum pulsierte es rot. Die Hitze war unerträglich. Seine Haut knisterte wie trockenes Papier. Jeder Atemzug verbrannte seine Lungen. Plötzlich stand er neben einem blubbernden See und die Hitze wurde immer schlimmer. Er starrte auf die feurige Oberfläche –
    »Michael! Michael! Wach auf!«
    Emma rüttelte ihn. Er schlug die Augen auf und wusste zuerst nicht, wo er war. Dann erkannte er den Innenraum des Flugzeugs, sah Gabriel ihre Sachen zusammenpacken. Und er erinnerte sich.
    »Alles klar?«, fragte Emma. »Du hast Geräusche gemacht.«
    »Habe ich was gesagt?
    »Nicht mit Worten. Es war eher ein Mmmmrrrraaaaggghhhhh oder so ähnlich.«
    »Oh.«
    »Wir sollten uns bereit machen. Gabriel meint, wir landen bald. Und Michael …«
    »Was?«
    »Er meint, dass wir vielleicht Pinguine sehen!«
    Michael rieb sich die Augen und schaute aus dem Fenster. In dem trüben Licht des frühen Morgens ragten geisterhafte weiße Klippen vor ihnen auf. Michael sah eine riesige Eisplatte von der Klippe abbrechen und majestätisch, fast wie in Zeitlupe, ins Meer sinken. Dann flog das Flugzeug über die Wand aus Eis hinweg und fortan gab es nur noch Weiß. Unter ihnen und vor ihnen.
    Ich habe uns hergebracht, dachte Michael. Was immer passiert, es ist meine Verantwortung.
    Er zog die Stiefel an.
    »Da! Guck mal! Verscheuch ihn bloß nicht!«
    Der Pinguin watschelte auf sie zu, die flachen Flügel ausgebreitet, um seinen pummeligen Körper im Gleichgewicht zu halten. Er reichte ihnen gerade bis an die Knie und seine mit Schwimmhäuten versehenen Füße verursachten ein dumpfes Patschen auf dem harten Eis. Michael und Emma standen stocksteif da, während der kleine Vogel an ihnen vorbeitapste und hinter einem Gebäude verschwand.
    »Das ist das Schönste, was ich je gesehen habe«, sagte Emma leise.
    Es war neun Uhr morgens und die Sonne ging gerade auf. Es waren lediglich zehn Grad minus, was offensichtlich für die hiesigen Verhältnisse ziemlich warm war. Das Flugzeug, dessen Kufen auch wie Ski eingesetzt werden konnten, war auf einer Landebahn aus festgebackenem Schnee neben dem Außenposten gelandet. Die Siedlung selbst erinnerte an eine Raumstation auf dem Mond. Sie bestand aus knapp einem Dutzend flacher Metallgebäude, deren gewölbte Dächer mit Antennen gespickt waren. Halbrunde Tunnel schlängelten sich von einem Gebäude zum anderen.
    Wie ein Dorf irgendwelcher Außerirdischer, dachte Michael, oder der Bau eines Riesenhamsters.
    Gabriel hatte die Kinder angewiesen, im Flugzeug zu warten, bis er mit neuen, warmen Kleidungsstücken zurückkehrte. Er brachte auch ihre alte Sachen wieder mit, die er in den Trockner der Wäscherei gesteckt hatte. Es war ein Glück, dass Dr. Pym sie mit warmen Kleidern versorgt hatte, bevor sie nach Malpesa aufgebrochen waren, denn der Laden hier im Außenposten führte keine Kindersachen. Gabriel hatte einfach Kleidung in der kleinsten verfügbaren Größe gekauft: lange Unterwäsche, schwere Parkas mit pelzverbrämten Kapuzen, wattierte Schneehosen, die über ihre normalen Hosen gezogen wurden, gefütterte Handschuhe, Skimasken, die nur das Gesicht freiließen, Pelzmützen, Schneebrillen und klobige Stiefel, die sie über den alten Stiefeln trugen. »Stiefel für unsere Stiefel«, bemerkte Emma. »Cool.« Michaels Parka und seine Hosen passten ihm leidlich, aber die Ärmel von Emmas Parka musste Gabriel abschneiden, ebenso wie den Aufschlag ihrer Hosen. Die Schnittstellen versiegelte er mit dickem Klebeband. Als beide Kinder fertig angekleidet waren, hatte Michael den Eindruck, sich in

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