Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens
Vom Netzwerk:
dir. Aber was mir Sorge bereitet, ist diese Höhle. Die Erinnerungen, die dir vermacht wurden, sind mehr als zweihundert Jahre alt. In der Zwischenzeit können Lawinen abgegangen sein; es kann Erdbeben gegeben haben. Die ganze Landschaft ist möglicherweise verändert. Wer weiß, ob es die Höhle oder ihren Zugang überhaupt noch gibt. Aber wie auch immer, wir werden sehen. Jetzt esst auf, die Sonne wird bald aufgehen.«
    »Ich hole mir noch einen Nachschlag«, sagte Emma, »weil dieses Michelin-Männchen mir nichts abgeben will.« Und damit nahm sie ihren mit Sirup beschmierten Teller und marschierte zur Theke.
    Wenig später waren sie in der Luft. Die Sonne hatte sich über den Horizont erhoben und während des Flugs sauste Emma von einer Seite des Flugzeugs zur anderen und drückte sich die Nase an den Fenstern platt. In der vergangenen Nacht war sie zu müde und zu aufgewühlt gewesen, um ihren allerersten Flug zu genießen.
    Aber heute war sie satt und ausgeruht. Doch den eigentlichen Grund für ihre überschäumende Laune hatten sie Gabriel zu verdanken. Nach dem Frühstück, als sie das Café verließen, hatte Michael gehört, wie er ihr zuflüsterte: »Ich würde dich niemals mehr allein lassen«, und Emma war ihm um den Hals gefallen. Seitdem wirkte sie wieder ganz wie sie selbst und nun, mit der Sonne über sich und einem wunderschönen, fremdartigen Land unter sich, hatte sie all ihre Sorgen vergessen und erfreute sich an jedem Augenblick.
    Michael war nicht so ruhig und gelassen.
    Die Gewissheit, die er in der Cafeteria gespürt hatte, war einer Reihe von Zweifeln gewichen. Was, wenn der Pilot recht hatte und es keinen Vulkan gab? Oder wenn es ihn gab, der tote Wächter ihnen aber eine Falle gestellt hatte? Michael besaß nur ein paar Erinnerungsfetzen des Toten; was er beabsichtigt hatte, wusste er nicht. Möglicherweise führte er Emma und Gabriel ins Verderben! Er wollte mit Gabriel darüber reden, wollte, dass der Mann seine Sorgen beschwichtigte, aber er hatte Angst, seinen Gefährten seine Unsicherheit zu offenbaren. Er redete sich ein, dass er nicht schwach erscheinen dürfe.
    »Michael!«, schrie Emma. »Schnell!«
    Er trat zu ihr ans Fenster.
    »Guck mal!« Sie deutete nach unten. »Da ist Derek!«
    Michael erkannte lediglich eine kleine dunkle Gestalt auf der weißen, weiten Ebene.
    »Bist du sicher, dass er es ist?«
    »Oh, ganz sicher. Ich würde Derek überall erkennen.« Sie drückte die Stirn gegen die Fensterscheibe und schaute nach unten. »Ich möchte zu gerne wissen, wo er hingeht.«
    Eine Hand legte sich auf Michaels Schulter. Es war Gabriel, der den Kindern bedeutete, ihm ins Cockpit zu folgen. Michael und Emma stellten sich in den engen Raum hinter den Piloten, der grinste und nach vorne deutete.
    Emma keuchte auf.
    Direkt vor ihnen erhob sich eine mächtige Gebirgskette. Weiße Gipfel ragten aus der weißen Ebene. Die Berge waren breit und ausladend und standen dicht an dicht, aber zwei Gipfel stachen deutlich heraus. Sie befanden sich ganz vorne und sie waren die höchsten und schmalsten Gipfel der Bergkette. Es gab keinen Zweifel.
    Das Doppelhorn, dachte Michael.
    Er erlebte ein intensives Déjà-vu . Denn obwohl er diese Berge zum ersten Mal sah, kannte er sie aus der Erinnerung des toten Wächters. Es war ein merkwürdiges, beunruhigendes Gefühl, als ob sein Sinn dafür, wer und was er war – definiert durch die Dinge, die er kannte, an die er sich erinnerte, die er erlebt hatte – mit etwas anderem zu verschmelzen drohte. Etwas, das er nicht benennen konnte.
    »Sind das die Berge?«, fragte Gabriel.
    »Ja.« Michaels Stimme war über dem Dröhnen der Motoren kaum zu hören.
    Der Pilot sagte etwas zu Gabriel, der daraufhin nickte und sich den Kindern zuwandte.
    »Wir werden in zwanzig Minuten dort sein. Gustavo wird ein paar Meilen vom Fuß des Doppelhorns entfernt landen. Wir müssen bis zum Gebirge laufen. Macht euch fertig.«
    Michael zitterten die Hände, als er versuchte, den Reißverschluss seines Parkas hochzuziehen, und er wandte sich ab, damit niemand es bemerkte. Es dauerte nicht lange und beide Kinder waren dick in Parkas, Skimasken, Mützen, Schneebrillen und Handschuhe eingemummelt. Jetzt fehlten nur noch die steifen, monströsen Stiefel, die Gabriel für sie gekauft hatte. Die Kinder waren nicht mehr in der Lage, sich zu bücken, sodass Gabriel sie anwies, sich auf den Boden zu legen, während er die neuen Stiefel über ihre alten stülpte und die Verschlüsse

Weitere Kostenlose Bücher