Das Buch Rubyn
einschnappen ließ. Dann hob er sie beide wieder vom Boden auf und überprüfte noch einmal, ob ihre Kleidung gut saß.
Michael konnte sich kaum rühren, und er fragte sich, wie um alles in der Welt er drei oder vier Meilen weit laufen sollte.
Das Flugzeug zitterte und schaukelte, während es langsam an Höhe verlor. Michael hielt sich an einem Riemen an der Wand fest und sah Gabriel zu, der sich über einen großen Rucksack beugte, in dem Lebensmittel, Wasser, heißer Tee, ein Notzelt, Seile, eine Eisaxt und andere nötige Utensilien steckten. Er befestigte einen schlanken, etwa einen Meter langen, sorgfältig in Segeltuch gewickelten Gegenstand an dem Gepäck. Michael wusste, dass es Gabriels Machete war, mit der er bereits in Cambridge Falls gekämpft hatte. Der Anblick der Waffe führte Michael noch einmal deutlich vor Augen, dass sie keine Ahnung hatten, was vor ihnen lag.
Das Flugzeug schlitterte über den eisigen Boden. Michael und Emma verloren den Halt, flogen nach vorn und prallten gegen die Kabinenwand. Die dicke Kleidung bewahrte sie vor Verletzungen. Noch zwei weitere Male setzte das Flugzeug hart auf und hob wieder ab, denn der Untergrund war so glatt wie ein gefrorener See. Endlich blieb das Flugzeug auf dem Boden, rutschte noch etwa hundert Meter weiter und kam dann zum Stehen.
Michael schaute zu seiner Schwester.
»Alles in Ordnung?«
»Mir ist heiß«, maulte Emma. »Wann machen die endlich die Tür auf?«
»Ich meinte …«
»Ich weiß, was du meintest. Mir ist bloß heiß.«
Gabriel überprüfte noch ein letztes Mal ihre Kleidung.
»Es ist noch vier Stunden lang hell. Wenn wir die Höhle finden, diese Drachenzähne, gehen wir weiter. Wenn nicht, kehren wir entweder zum Flugzeug zurück oder schlagen ein Lager auf, wenn wir eine geschützte Stelle finden. Gustavo wird bis Mitternacht auf uns warten und dann zum Außenposten zurückfliegen. Er wird drei Tage lang jeden Tag wiederkommen und bis zum Abend auf uns warten. Seid ihr bereit?«
Michael merkte, dass Gabriel ihn anschaute und von ihm eine Antwort erwartete. Er kam auf die Idee zu sagen: »Wisst ihr, jetzt, wo ich so darüber nachdenke, finde ich, dass wir die Sache abblasen sollten.« Aber er wusste, dass dies nicht die Antwort war, die Gabriel hören wollte. Ihr Weg führte sie vorwärts, nicht zurück. Gabriel wollte Michael lediglich die Möglicheit geben, ihre Mission offiziell zu starten.
Michael reckte die Schultern und hob die Hand, um die Brille zurechtzurücken, bemerkte dann aber, dass er eine Schneebrille darüber trug. Also rückte er stattdessen die Schneebrille zurecht.
»Ja. Gehen wir.«
Gabriel öffnete die Tür, und es war, als ob die Kälte der ganzen Welt in das Flugzeug wehte. Gabriel brachte zuerst den Rucksack nach draußen. Dann half er Emma aus dem Flugzeug. Michael sah, dass Gustavo sie mit einem besorgten Blick beobachtete.
»Danke fürs Mitnehmen«, sagte Michael. Seine Stimme klang durch die Skimaske gedämpft. »Bis bald. Hoffentlich.«
Und damit folgte er Emma nach draußen.
Der Untergrund war mit einer dicken Eiskruste bedeckt, sodass sie keine Schneeschuhe brauchten. Das Doppelhorn ragte vor ihnen auf. Die weißen Konturen zeichneten sich scharf vor dem blauen Himmel ab und die Gipfel neigten sich einander zu. Gabriel ging voraus, Emma folgte ihm, und Michael bildete die Nachhut. Er drehte sich noch einmal um und sah die bleiche Scheibe der Sonne dicht über dem Horizont hängen. Er fühlte sich wie ein Astronaut auf einem fremden Planeten.
Das zusätzliche Gewicht der Kleider und Stiefel machte das Laufen beschwerlich. Es dauerte nicht lange und Michaels Beine waren bleischwer. Seine Uhr befand sich unter dicken Schichten aus Kleidung und der einzige Hinweis auf ihr Vorwärtskommen waren die Berge vor ihm – die ihm nach geraumer Zeit noch genauso weit entfernt vorkamen wie am Anfang ihres Marsches. Das Flugzeug hinter ihnen allerdings wurde kleiner und kleiner.
Michael schätzte, dass sie eine halbe Stunde unterwegs waren, als Gabriel stehen blieb, sich umdrehte und an den Kindern vorbei in die Ferne schaute.
»Was ist los?« Michael konnte nichts erkennen, außer dem Flugzeug – ein winziger, dunkler Fleck in der Ferne.
»Ich bin mir nicht sicher.«
Gabriel kniete sich nieder und holte ein Seil und eine Reihe von Karabinerhaken aus seinem Rucksack. Er führte das Seil durch die Haken, die er dann an seiner Jacke und an den Parkas von Michael und Emma befestigte. Auf diese Weise waren
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