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Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens
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lieblich lieblich …«
    »Was machst du da?«, flüsterte Michael.
    »Ich sage nur das Wort lieblich «, antwortete Emma.
    »Oh«, sagte Michael nachdenklich, als ob er sich fragte, warum er nicht daraufgekommen war. »Ich verstehe.«
    Und während sie den Elfen zuschauten und dem Lied lauschten, murmelten sie im Takt der Melodie: »… lieblich lieblich lieblich lieblich lieblich lieblich lieblich …«
    Einige der Elfen schlugen Räder auf der Lichtung, andere spielten Bockspringen, und einer fuhr auf einem altmodischen Hochrad um die fröhliche Gesellschaft. Ein paar Elfen hatten Weidenkörbe geöffnet und veranstalteten ein Picknick, das aus Getränken und Kuchen bestand. Zwei Elfen machten sich an etwas zu schaffen, das in Michaels Augen so aussah wie eine Jahrmarktsbude. Die ganze Szene kam ihm merkwürdig vertraut vor. Irgendwann dämmerte es Michael, dass er diese Dinge schon gesehen hatte, in alten Filmen, wo sich die Leute auf einem ländlichen Rummelplatz mit Apfelwettessen und Bällewerfen amüsierten. Die Gewohnheiten und Traditionen der Elfen waren – genau wie ihre Mode – über hundert Jahre alt. Michael war entzückt.
    »Lieblich«, murmelte er. »Lieblich.«
    Das Lied ging weiter:

    Ihre Arme sind so wohlgeformt,
    ihre Taille schlank und fest.
    Ihre Nase hat nicht ihresgleichen,
    und die Zähne, die Zähne, oh mögen sie ewig strahlen …
    Oh, sie muss fressen, fressen, fressen,
    sie platzt aus allen Nähten …
    »Hast du gewusst, dass es hier Elfen gibt?«, fragte Emma flüsternd.
    »Nein, aber es ist eine wirklich nette Überraschung«, sagte Michael.
    »Da hast du recht. Wie sehen meine Haare aus?«
    Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass Emma diese Frage stellte.
    Michael schaute sie an. Sie hatte seit gestern, als sie in dem kleinen Haus in Spanien übernachtet hatten, nicht geduscht, und danach waren sie durch ein Grab in einen unterirdischen Gang geklettert, durch eine Kanalisation gerannt, durch Abwässer gewatet, hatten sich durch einen Schneesturm gekämpft – von der Wirkung von dicken Pelzmützen und Skimasken auf die Frisur ganz zu schweigen – und hatten auf einem Bett aus Farnwedeln geschlafen.
    »Ganz ehrlich?«
    »Ja.«
    »Es sieht aus wie ein Taubennest. Tut mir leid. Aber du hast einen Zottelkopf.«
    »Schon gut«, sagte Emma. »Du hast auch einen Zottelkopf.«
    »Schau mal, was sie da haben!«, rief Michael aus.
    Die Elfen hatten einen langen Schminktisch mit vier Spiegeln aufgestellt. Neben jedem Spiegel lagen Bürsten, Kämme, Pinzetten, Nagelfeilen, verschiedene Cremes und Wässerchen, Puder und andere Schminkutensilien. In den Kindern stieg ein solches Verlangen nach diesen Schönheitsmittelchen auf, dass sie um ein Haar aufgesprungen und auf die Lichtung gerannt wären. Womöglich hätten sie nicht an sich halten können, wenn nicht die Schemel an dem Schminktisch in Windeseile von Elfenmädchen und -jungen besetzt gewesen wären, die sich die Frisur richteten, die Wangen puderten und unsichtbare Härchen auszupften – obwohl mehrere einfach nur dasaßen, sich im Spiegel bewunderten und ausriefen: »Du siehst fantastisch aus! Ja wirklich. Du siehst einfach fantastisch aus!«
    »Wir können uns so nicht sehen lassen«, sagte Michael. »An meinem Taschenmesser ist eine Schere. Wir schneiden uns einfach die Haare ab. Kein Haar ist immer noch besser als ein Zottelkopf.«
    »Warte«, sagte Emma. »Ich habe eine bessere Idee.«
    Sie rannte ein Stück in den Wald hinein und kehrte mit einem Arm voll Farnwedeln zurück.
    »Wir machen uns einfach hübsche Hüte. Dann wird niemand unsere Zottelhaare bemerken.«
    Michael konnte kaum fassen, was für atemberaubende Ideen Emma heute hatte. Erst die Sache mit dem Wort lieblich und jetzt der Einfall mit den Hüten!
    Sie machten sich gleich an die Arbeit und schnitten mit Michaels Taschenmesser die Farnwedel in fünfzehn bis zwanzig Zentimeter lange Stücke. Aber bald wurde ihnen klar, dass sie keine Möglichkeit hatten, die Wedel zu befestigen. Da schlug Michael vor, die feuchte, schlammige Erde unter den Bäumen als Klebstoff zu benutzen.
    »Wir schmieren uns die Erde auf den Kopf und kleben die Palmwedel einfach dran.«
    Emma war so begeistert von dem Vorschlag, dass sie Michael versicherte, er sei ihr Lieblingsbruder.
    »Ich bin doch dein einziger Bruder«, gab Michael zu bedenken.
    »Ich weiß! Ist das nicht großartig? Jetzt beeil dich. Der Tanz fängt bestimmt gleich an!«
    Rasch kleisterten sich die Kinder den Schlamm auf

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