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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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entspannten. »Aber ich bezweifle, dass Conwulf es verstehen wird. Ich bin ein einfacher Ordensmann und verstehe nicht viel von derlei Dingen, Chaya. Aber selbst ich kann sehen, dass der Junge Euch gern hat. Ihr ihn nicht auch?«
    Chaya blickte zu Boden, eine Antwort blieb sie schuldig. Dafür konnte sie spüren, wie sich ihr schlechtes Gewissen regte.
    »W arum bleibt Ihr nicht einfach?«, fragte der Mönch.
    Chaya schaute auf. »Pater Berengar, in den vergangenen Wochen habe ich Euch als ebenso klugen wie weitsichtigen Menschen kennengelernt, und als solcher wisst Ihr, weshalb ich nicht bleiben kann. Conwulf und ich gehören unterschiedlichen Welten an. Daran wird sich nichts ändern, nicht heute und nicht morgen.«
    »V ielleicht habt Ihr recht. Die Zeiten – und speziell diese unheilvollen Tage – sind nicht reif für einen Christen und eine Jüdin. Geht also in Frieden und blickt nicht zurück, so ist es am besten für beide.«
    Chaya nickte. »Habt Dank«, sagte sie und neigte das Haupt. Berengar trat zur Seite, um ihr den Weg frei zu machen. Nach wenigen Schritten jedoch blieb sie noch einmal stehen und wandte sich um. »Pater?«
    »Ja, mein Kind?«
    »Bitte bestellt Conn meine Grüße. Sagt ihm, das ich ihm von Herzen zugetan bin und mir nichts sehnlicher wünschte, als mit ihm zusammen zu sein, aber …« Sie verstummte. Tränen traten ihr in die Augen, und eben jener Abschiedsschmerz, den sie hatte vermeiden wollen, schnürte ihr die Kehle zu.
    » Ich weiß, mein Kind.«
    »W erdet Ihr es ihm ausrichten?«
    »Das werde ich«, versicherte der Mönch.
    »Danke«, sagte Chaya. »Friede mit Euch.«
    »Und mit Euch, mein Kind.«
    Chaya wandte sich endgültig ab. Den Maulesel am Zügel hinter sich herziehend, durchquerte sie den Wald, bis sie auf die schmale Straße stieß, die von Alexandretta kommend zum Wadi al-Qifaysiya führte. Dort stieg sie in den Sattel und folgte dem Pfad nach Südosten, nicht ohne vorher ihr Haar und einen guten Teil ihres Gesichts unter den Windungen ihres Turbans zu verbergen.
    Im Osten ging die Sonne auf und tauchte die Hügelkuppen in bernsteinfarbenes Licht – die Düsternis in Chayas Herz jedoch vermochte sie nicht zu vertreiben.
    Unentwegt sah sie Conns Gesicht vor sich, seine freundlichen Züge, das dunkelblonde Haar, die milde blickenden blauen Augen. In seiner Nähe hatte sie zum ersten Mal nach dem Tod ihres Vaters wieder frei geatmet, hatte sie sich sicher und geborgen gefühlt, ohne deshalb ihres Willens und ihrer Selbstbestimmung beraubt zu sein. Niemals in ihrem Leben hätte sie vermutet, dass genau das geschehen könnte, wovor ihr Vater sie immer gewarnt und was er mit einer arrangierten Heirat geglaubt hatte verhindern zu können: Sie hatte sich in jemanden verliebt, der nicht jüdischen Glaubens war.
    Es sich einzugestehen, schmerzte. Scham erfüllte sie, das Wissen, etwas Verbotenes getan und ihren Glauben verraten zu haben, und sie war in gewisser Weise dankbar dafür, dass der alte Isaac die Welt verlassen hatte, ohne je davon zu erfahren. Aber da war ebenfalls Zuneigung, das wärmende Gefühl einer neuen Liebe – auch wenn sie zum Scheitern verurteilt und die bittersüße Erinnerung an jene gemeinsame Nacht alles war, was blieb.
    Entsprechend widersprüchlich waren Chayas Empfindungen, als sie die Ausläufer des Wadi al-Qifaysiya erreichte, je n er fruchtbaren Senke, die sich bis nach Antiochia hinein erstreckte. Einerseits war Chaya erleichtert darüber, dass ihre Reise nun bald zu Ende sein würde, andererseits erfüllte sie tiefe Wehmut. Mit aller Macht versuchte sie, ihre Gedanken an Conn zu verdrängen und sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Ihr Ziel war das Haus Ezra Ben Salomons, dem sie das Buch von Ascalon übergeben und damit das Vermächtnis ihres Vaters erfüllen würde. Weiter versuchte sie nicht zu denken.
    Die trutzigen Mauern Antiochias tauchten jenseits der grünenden Olivenhaine auf, und Chaya überquerte die Brücke, die sich über den Orontes spannte und zum westlichen Stadttor führte, inmitten eines Stromes von Flüchtlingen.
    Aus allen Himmelsrichtungen kamen sie zusammen und drängten in die Stadt: Bauern aus der Umgebung, aber auch Tagelöhner, fahrende Handwerker und Kaufleute, die sich davor fürchteten, den Barbaren aus dem Norden in die Hände zu fallen. Wie es hieß, hatten die ersten Kreuzfahrer den Orontes bereits erreicht. Nicht mehr lange und sie würden vor den Toren stehen und Einlass begehren. Da nicht zu erwarten war,

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