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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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dem es kein Zurück gab. Irgendwo vor ihr, noch weit entfernt, lag das Kalifat der Abbasiden, das Werkzeug ihrer Vergeltung.
    Sie spürte Khur Shah in ihren Gedanken, sah ihn vor sich, sah ihn lächeln.
    Erst Shadhans Tod. Dann der Garten.
    SCHÄDELSAMMLER
    S i e hatten Preßburg hinter sich gelassen, die bewaldeten Steilufer der Visegráder Gipfel und das Börzsöni-Bergland. Auffallend viele Festungen waren am Ufer zu sehen, und Albertus erklärte, dies sei eine Folge des Mongolensturms, der fünfzehn Jahre zuvor über Ungarn hinweggefegt sei. Blutrünstige Horden aus den Steppen des Ostens hatten die Donau überquert und weite Teile des Landes verwüstet. Erst nach zehn Monaten waren sie zurückgeschlagen worden und hatten Hunderttausende von Toten hinterlassen, dazu eine Unzahl verwüsteter Burgen und Dörfer. » Lasst uns beten «, fügte Albertus hinzu, » dass wir diesen Teufeln niemals begegnen. «
    Die zehnte Nacht an Bord der schwimmenden Kirche verbrachten sie im Donauhafen der ungarischen Stadt Pest, eingepfercht zwischen anderen Flussschiffen, von denen einige bereits die weite Strecke vom Schwarzen Meer bis hierher hinter sich gebracht hatten.
    Ein Tuchhändler warnte sie, dass es weiter im Osten sehr wohl noch versprengte Tataren gebe, doch Albertus versicherte allen, dass sie den Fluss lange vorher verlassen würden. Obgleich er keinem einen Blick auf die Karte des Jüngers gewährte, hatten Aelvin, Favola und Libuse schon früher aus seinen Bemerkungen heraushören können, dass er der alten Pilgerroute über Nisch und Sofia nach Konstantinopel folgen wollte – und darüber hinaus.
    Allen war leichter zumute, seit Gabriel nicht mehr bei ihnen war. Sie vertrieben sich die Zeit mit den Geschichten, die der Magister ihnen von seinen jahrelangen Wanderungen erzählte, aber auch vom Heerzug des Kaisers Barbarossa, der die Donau in einem Zelt befahren hatte, das sich über drei Lastkähne spannte. Sogar Corax ergriff dann und wann das Wort und sprach von seiner Ausbildung zum Ritter, seinen ersten Turnieren und dem Tag, an dem er zum ersten Mal den roten Schleier einer Dame an seiner Lanzenspitze getragen hatte. Albertus hob dabei missbilligend eine Augenbraue, obgleich Aelvin den Grund nicht verstand: Was war denn Unanständiges daran, die Farben einer Edeldame in den Kampf zu tragen?
    Während der übrigen Stunden versuchten sie es mit diesem und jenem Zeitvertreib, sangen gemeinsam die alten Lieder, kochten mit Sebastianus das Essen für Besatzung und Passagiere und ließen sich von Albertus die Landschaften links und rechts des Stroms erklären.
    Irgendwann nahmen Libuse und Corax ihre Schwertübungen wieder auf, die sie seit Wochen vernachlässigt hatten. Die Blindheit des alten Recken hielt ihn nicht davon ab, komplizierte Schlagfolgen vorzuführen – allerdings nur, solange niemand in seiner Nähe stand, wofür Libuse mit viel Geschrei und wilden Gesten sorgte. Zudem hielt er lange Vorträge über die Kunst des Schwertkampfes. Aelvin hörte aus einiger Entfernung zu und bewunderte, wie geschmeidig Libuse die Vorgaben ihres Vaters wiederholte. Schließlich fasste er sich ein Herz und fragte, ob er an den Übungen teilnehmen dürfe. Von Libuse hatte er eine spöttische Bemerkung erwartet, doch sie sah ihn nur erstaunt an und lächelte schließlich. Corax sagte, ihm sei es einerlei. Da warf Libuse Aelvin eine kurze Klinge zu, die Corax all die Tage am Gürtel getragen, allerdings niemals blankgezogen hatte. Die Waffe war schwerer, als sie aussah, und anfangs stellte sich Aelvin alles andere als geschickt an.
    Nach ein, zwei Stunden, als Corax die Lust an den Übungen verlor, setzte Libuse den Unterricht mit Aelvin fort, und schon am ersten Tag hallte das Klingen ihrer Schwerter bis tief in die Nacht übers Deck.
    Favola kam zwischendurch dazu und beobachtete die beiden, lehnte aber ab, als Aelvin ihr übermütig anbot, doch gleichfalls ein Meister der Schwertkunst zu werden, so wie er selbst bald einer sein würde.
    Am nächsten Morgen konnte Aelvin sich nicht mehr bewegen. Jeder Muskel in seinem Leib schien zu Stein erstarrt, und seine Gelenke fühlten sich an wie die eingerosteten Scharniere des Leeren Ritters Ranulf. Libuse und Favola machten Witze auf seine Kosten und drohten damit, seine Mahlzeiten aufzuessen, wenn er sich nicht zusammenreißen und wie ein ganzer Mann benehmen würde. Schließlich kam Albertus dazu, beäugte ihn mit gerunzelter Stirn, murmelte etwas über Benimmregeln für junge

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