Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
vor den Mund. Ihre Augen waren weit aufgerissen und weiß wie Monde.
» Es wird kein Sieg in einem Handstreich, was immer Shadhan Hulagu einredet «, sagte Sinaida verbissen. » Man wird euch erwarten. «
» Dann werden Hunderttausende sterben «, brachte Doqu z s tockend hervor.
» Jeder, den ich mitnehmen kann. «
» Hunderttausende, Sinaida! «
Sie küsste ihre Schwester ein letztes Mal auf die Stirn. » Ihr Blut für das der Nizaris. «
Doquz stockte. » Die Nizaris bedeuten dir nichts. Was immer du tust, tust du nur für Khur Shah. «
» Ich liebe ihn noch immer. «
» Ich werde nicht fortgehen «, sagte Doquz wie betäubt. » Ganz gleich, was uns alle erwartet. «
Sinaida drehte sich um und rannte.
*
Es fiel ihr nicht leicht, davonzulaufen.
Mehr als einmal auf ihrem Weg zu den Pferdekoppeln überkam sie das brennende Verlangen, umzukehren und das Wagnis einzugehen, die Zelte Hulagus zu erreichen. Zweifellos hatte er die Wachen verstärkt – es konnte noch immer versprengte Meuchelmörder in den Bergen geben, die bereit waren, ihr eigenes Leben zu opfern, um den Schlächter ihres Volkes zu töten. Im Zentrum des Lagers musste es vor Turgauden nur so wimmeln. Sinaida würde einige von Hulagus Leibwächtern besiegen, sogar mit dem Dolch, doch bis zum Il-Khan würde sie nicht vordringen. Und somit auch nicht bis zu Shadhan. Sie wäre bereit gewesen, zu sterben, hätte sie damit die Vollstreckung ihrer Rache erkaufen können.
So aber musste ihre Vergeltung warten. Einige Wochen. Vielleicht einige Monate. Aber der Zeitpunkt würde kommen, an dem sie Shadhan erneut gegenüberstünde.
Wieder und wieder stellte sie sich das verhängnisvolle Gespräch zwischen ihm und Hulagu vor, und es spielte keine Rolle, ob sich alles genau so oder ganz anders abgespielt hatte.
Gib mir die Bibliothek von Bagdad, hatte Shadhan zum Il-Khan gesagt, und ich gebe dir alles andere. Die Stadt, die Menschen, den Kalifen. Den Reichtum und Ruhm für dich, für mich nur das Wissen.
Sinaida huschte durch das verästelte Band aus Zelten und Jurten, das sich vom Lager bis in die Täler der Elburzberge zog und sie füllte wie die aufgestauten Fluten eines Gebirgsstroms. Der Mond stand hoch am klaren Winterhimmel, die meisten Lagerfeuer waren längst erkaltet. Wie viele Stunden noch bis zum Sonnenaufgang? Genug Zeit jedenfalls, um einen Vorsprung zwischen sich und ihre Verfolger zu bringen.
Der tote Wächter war mittlerweile bestimmt entdeckt worden. Vermutlich waren die Turgauden gerade dabei, Hulagu die Nachricht von ihrer Flucht zu überbringen.
Hinter ihr ertönte ein Hornstoß. Zweimal, dreimal nacheinander. Irgendwo in der Ferne, an den Rändern des Lagers, antwortete ein zweites Horn, gefolgt von weiteren in allen Richtungen.
Sinaida hätte einiges für die schwarze Nachtkleidung der Nizaris gegeben; stattdessen trug sie eine schlichte lederne Hose und ein grobes Baumwollhemd, darüber eine Jacke aus Fell, die ihr irgendwer vor drei oder vier Tagen umgehängt hatte. In der Jurte, in der sie gefangen gehalten worden war, hatte Tag und Nacht ein Feuer gebrannt, doch die Bewegungslosigkeit am Pfahl hatte ihr die Kälte trotz allem tief in die Gebeine kriechen lassen.
Das Gewirr der engen Gassen zwischen den runden Nomadenzelten nahm kein Ende. Sie hatte vermutet, dass ihr Gefängnis sich nicht weit von der Unterkunft des Il-Khans befände, doch diese Annahme erwies sich als Trugschluss. Dies hier war ganz offensichtlich ein anderer Seitenarm des Tales, nicht einmal Alamut konnte sie von hier aus sehen.
Die Hornstöße verklangen. Alle Wachtposten waren gewarnt, dass aus dem Inneren des Lagers Gefahr drohte. Jetzt würde es noch schwieriger werden, die Täler zu verlassen.
Aus den Zelten, die Sinaida passierte, eilten Männer ins Freie, zerrten ihre Kleidung zurecht oder schoben ihre Krummschwerter in die Scheiden. Nicht mehr lange, und das nächtliche Lager würde vor Kriegern nur so wimmeln. Sinaida musste so schnell wie möglich eine der Pferdekoppeln erreichen.
Ihre Stiefel wirbelten die kalte Asche der Lagerfeuer auf, trugen sie über herumliegendes Kochgeschirr und Tongefäße. Aus einem verlassenen Zelt besorgte sie sich die Kleidung eines Mongolenkriegers und streifte sie in fieberhafter Eile über die Sachen, die sie bereits am Körper trug. Ihren langen schwarzen Zopf stopfte sie unter die Mütze und in den Kragen der gesteppten Jacke. Jetzt hatte sie auch ein Schwert, einen zweiten Dolch und ein Wurfseil. Solange
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