Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
Leiden eines ganz gewöhnlichen Menschen.
Manchmal lachte sie gar. Meine Favola lachte.
Meine Favola?
*
Hinter Sofia hörte es für eine Weile auf zu schneien, aber die bittere Kälte hielt an. Die Landschaft war felsig und oft von bedrückender Ödnis. Wir ritten durch tiefe Schluchten, die wie geschaffen waren für Hinterhalte. Dann wieder führte der Weg durch kahle Wälder, die von verästelten, vornübergeneigten Baumgerippen beherrscht wurden. Mehrfach überlegten wir, uns einer der vereinzelten Reisegruppen anzuschließen, doch Albertus traute keinem dieser Menschen; die Einen waren ihm zu hakennasig, die Nächsten zu dunkelhäutig, und in den Augen der Übrigen glaubte er Unehrlichkeit und Habgier zu erkennen. Ich wagte zu fragen, wie es wohl anginge, dass unser Heiland keineswegs hakennasig und dunkelhäutig gewesen sei, obgleich er doch in den Ländern der dunklen Haut und Hakennasen geboren wurde. Des Magisters Antwort war vage und unergiebig, und mir schien, er murmelte sie absichtlich so leise, dass ich die Worte nicht verstand.
So jedenfalls waren die Umstände, als wir durchgefroren und der tristen Lande überdrüssig jene Herberge erreichten, in der Corax nach einigem Zögern zu reden begann.
DIE ERZäHLUNG DES RITTERS
» M eine Geschichte beginnt, wie so vieles, in Jeru salem,« sagte Corax. Er saß Aelvin genau gegenüber, und seine bli nden Augen schienen ihn zu fixieren. » Vor beinahe dre ißig Jahren, im Jahr 1229, schlo ssen Kaiser Friedrich und der Sultan al-Kamil einen Vertrag. Demnach sollte Jerusalem, die Heilige Stadt, wegen der sich Kreuzritter und Moslems seit einer Ewigkeit die Köpfe blutig geschlagen hatten, für zehn Jahre in den Besitz der Christen übergehen.
Auf beiden Seiten gab es gegen dieses Abkommen großen Widerstand. Bei den Moslems, weil sie nicht verstehen konnten, weshalb der Sultan freiwillig auf die Stadt verzichten wollte. Und unter den Christen, weil Friedrich nicht mit dem Segen des Papstes gehandelt hatte. Der nämlich hätte es vorgezogen, wäre die Stadt mit Gewalt genommen worden – und das nicht für zehn Jahre, sondern für immer. Ihr müsst verstehen, dass die Päpste seit Beginn der Kreuzzüge immer für eine kriegerische Lösung eingetreten sind. Und nun kam dieser Staufer, dieser Friedrich daher, setzte sich mit den Moslems an einen Tisch und tat nichts anderes, als sein Siegel unter einen Vertrag zu setzen. Keine Entscheidungsschlacht, kein Blutvergießen, keine endlosen Reihen von Pfählen mit den aufgespießten Schädeln der Ungläubigen. Nur zwei Männer, die einander mit Ehrerbietung begegneten, sich die Hände schüttelten und ein Abkommen unterzeichneten.
Freilich hatten beide gute Gründe. Seit Jahren machten den Moslems die mongolischen Horden zu schaffen, die immer wieder im Osten ihres Reiches auftauchten und ihnen herbe Niederlagen zufügten. Der Sultan sah in ihnen eine größere Bedrohung als in den Heeren der Kreuzfahrer, und so hoffte er, zum Preis der Übergabe Jerusalems in den Christen starke Verbündete gegen die mongolische Plage zu finden.
Friedrich wiederum war stets bemüht, seine kaiserliche Herrschaft von der Macht des Papstes abzunabeln und nach eigenem Gutdünken zu handeln. Der Gewinn Jerusalems, ganz gleich mit welchen Mitteln, musste ihn in den Augen vieler über den Heiligen Vater erheben, denn damit hatte er vollbracht, woran das Papsttum zwei Jahrhunderte lang gescheitert war.
Der Vertrag wurde also unterzeichnet, und Friedrich zog mit seiner Armee in die Stadt ein. Eigenhändig krönte er sich dort zum König von Jerusalem. Er gewährte den Moslems freien Zutritt zur Omar-Moschee und dem al-Aqsa-Tempel, tolerierte ihre Priesterschaft und war bemüht, alle Streitigkeiten, die ein solches Zusammenleben mit sich brachte, zu schlichten.
Dann allerdings, schon nach wenigen Jahren, geschah das Unvermeidliche. Der Sultan starb, seine Erben zerstritten sich und eine Rotte marodierender Moslemkämpfer marschierte in Jerusalem ein, sie töteten oder vertrieben die Christen und ergriffen erneut die Herrschaft über die Stadt. Jahrelang setzte kein Christ seinen Fuß dorthin, und falls es doch einer versuchte, wurde er auf der Stelle getötet.
Erst 1241, zwölf Jahre nach dem ersten Vertrag, wurden erneut Verhandlungen aufgenommen, diesmal zwischen Richard von Cornwall, dem Bruder des englischen Königs, und dem Sultan von Ägypten, Ayyub al-Saleh, dem die Besatzer Jerusalems unterstanden. Abermals wurde ein Abkommen
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