Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Hatten sie ihren Besitz endlich an Land gehievt, begannen erst die eigentlichen Schwierigkeiten. Durch Schneisen zwischen den niedrigen Gebäuden bewegten sie sich voll bepackt hinaus ins Gassengewirr der Vorstadt. In einiger Entfernung konnte man die Türme der Runden Stadt erkennen, aber dort würden wohl die allerwenigsten Unterschlupf finden. Libuse fragte sich, wie die Quartiere außerhalb der Befestigungsanlagen verteidigt werden sollten. Womöglich würden die meisten dieser Menschen bald herausfinden, dass sie den Invasoren hier ebenso schutzlos ausgeliefert waren wie daheim in ihren Dörfern.
    Über allem wölbte sich eine Glocke aus Lärm und Gestank. Ziegen, Schafe und Kühe wurden von den Booten getrieben. Zahlreiche Kamele schoben sich schwankend zwischen den Menschenmassen dahin, manche mit Reitern, die meisten mit mannshohen Bündeln beladen.
    » Warum hält man sie nicht auf? «, fragte Aelvin. » Sie können doch all diese Sachen nicht mit in die Stadt nehmen. Es wird nicht einmal Platz genug für die Menschen geben, geschweige denn für all ihren Besitz. «
    Libuse hatte sich die gleiche Frage gestellt, und niemand wusste eine Antwort darauf.
    » Wir sollten hier verschwinden, bevor irgendwem einfällt, den Hafen zu sperren «, sagte Albertus. » Corax, nun bist du an der Reihe. Wohin sollen wir uns wenden? «
    » Der Mann, den wir suchen, heißt Ahmed bin Ja ’ far al -K hallal. Damals wohnte er in einem Haus am Großen Sarat -K anal, ganz in der Nähe des Marktes von Abd-al- Wahid. Das ist im Westen des Viertels al-Karkh. «
    Alle blickten nach dieser Beschreibung ziemlich ratlos drein. Wie sollten sie sich je in einer Stadt wie dieser zurechtfinden, wenn ihr einziger Führer ein Blinder war?
    » Der Markt von Abd-al- Wahid «, sagte Corax noch einmal, und diesmal klang es, als blicke er in Gedanken zurück in die Vergangenheit, auf das Bagdad vergangener Tage. » Wenn wir erst einmal dort sind, finden wir Ahmed. Vorausgesetzt, er lebt noch. «
    » Wie alt war er, als du ihn zuletzt gesehen hast? «, fragte Libuse.
    » Einhundertundzwölf Jahre «, sagte Corax, und zum ersten Mal seit Tagen lächelte er. » Jedenfalls hat er das immer behauptet. «
    » Einhundertzwölf! «, entfuhr es Aelvin.
    » Im Orient leben die Menschen länger «, sagte Albertus.
    Corax stieß ein tiefes Lachen aus. » Jedenfalls wenn man sich nicht mit der Palastgarde anlegt, die reichen Händler bestiehlt und die Frauen fremder Männer schwängert. «
    Albertus räusperte sich. » Und dein Freund Ahmed hat all das getan? «
    » Und Schlimmeres. Ich selbst habe ihn einmal in den Kerker geworfen. So bin ich ihm zum ersten Mal begegnet. «
    Aelvin sah Libuse so verzweifelt an, als erhoffte er sich von ihr einen Beweis dafür, dass die Worte ihres Vaters nur ein Scherz waren. Aber sie wussten es beide besser.
    » Gott steh uns bei «, murmelte Favola und legte beide Arme schützend um den Luminaschrein, den sie sich unter dem Mantel erneut vor den Bauch gebunden und mit Tuch gepolstert hatte. Libuse verspürte einen eifersüchtigen Stich, als sie Favola so neben Aelvin stehen sah. Die beiden wirkten wie ein junges Paar, das bald Nachwuchs bekäme.
    » Wir suchen also einen Mann, der, falls er überhaupt noch lebt, über hundertzwanzig Jahre alt ist «, resümierte Aelvin und wirkte dabei, als sei ihm schrecklich übel. » Ein Verbrecher, Weiberheld und weiß Gott was sonst noch. Und der soll uns helfen, an die Karte des Jüngers heranzukommen? In einer Stadt, die wahrscheinlich in Kürze von blutrünstigen Mongolenhorden niedergebrannt wird? « Er rieb sich mit beiden Händen durchs Gesicht, als könnte er die Wirklichkeit damit als Albtraum enttarnen. » Und fast dachte ich, wir hätten das Schlimmste hinter uns. «
    » Stehen wir hier nicht tatenlos herum «, sagte Albertus, ehe sich die Verzagtheit aller zu völliger Mutlosigkeit auswachsen konnte. » Machen wir uns auf die Suche nach diesem Ahmed. «
    *
    Nachdem sie sich erst einmal durch das Gedränge der stadteinwärts führenden Straßen gekämpft hatten, fanden sie den Weg zum Sarat-Kanal wie von selbst – sie mussten sich nur in Richtung der Runden Stadt drängeln und standen mit einem Mal an seinem Ufer. Corax hieß sie, am Kanal entlang nach Westen zu gehen, parallel zur äußeren Mauer, vorbei am Basra-Tor und durch den nördlichen Bezirk des al-Karkh -Q uartiers. So gelangten sie bald, schwitzend trotz der Kälte, zum Markt von Abd-al-Wahid, der wie jeder Platz

Weitere Kostenlose Bücher