Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
ähnlich wie damals. Denkst du nicht auch? «
    Corax nickte, doch nun schien ihm unwohl zu werden.
    » Damals in der Bergfestung sind viele von uns auf diese Weise mit dem Leben davongekommen «, setzte der Kalif seine Rede fort. » Und wir können hoffen, dass uns heute das gleiche Glück widerfährt. «
    » Ich bin nicht sicher, ob ich verstehe, worauf du hinauswillst «, sagte Corax vorsichtig.
    » O doch, mein Freund, das weißt du sehr gut. Abu Tahir mag ein guter Minister sein, ein guter Wesir, wenn es um die Belange des Palastes geht – aber ein Heerführer ist er nicht. Ich habe dir schon einmal angeboten, dich zum obersten Feldherrn meiner Armee zu machen, Corax, und ich mache dir dieses Angebot erneut. « Al-Mutasim verneigte sich plötzlich vor Corax, obgleich er wusste, dass der andere es nicht sehen konnte. » Ich bitte dich, lass mich mein Versprechen von damals einlösen. Führe meine Truppen an. Verteidige Bagdad. «
    Er zögerte, dann fügte er hinzu: » Ich lege dir die Zukunft meines Reiches zu Füßen. «
    Bleierne Stille legte sich über den Saal. Niemand bewegte sich, alle waren wie erstarrt.
    Corax überwand seine Überraschung und schüttelte sehr langsam den Kopf. Seine Stimme klang jetzt sanft, und Libuse hörte erstmals heraus, wie sehr er al-Mutasim noch immer respektierte. » Damals war ich ein anderer Mann. Ich war jünger und stärker. Ich liebte diese Stadt, und ihr Herrscher war mir so nah wie ein Bruder. «
    » Und genauso soll es wieder sein. «
    » Ich bin ein Krüppel! Wie soll ein Blinder eine Armee führen? «
    Sinaida trat mit einem blitzschnellen Schritt an seine Seite. » Lass meine Augen die deinen sein. Mein Wissen über den Feind das deine. Gemeinsam können wir Hulagu besiegen. «
    Libuse schluckte einen Kloß im Hals hinunter. Was hier gerade geschah, war so unverhofft wie unerhört.
    » Ich mache sie zu deiner rechten Hand «, sagte der Kalif mit einem Seitenblick auf Sinaida, der noch immer nicht ganz frei von Abneigung war, aber auch voller Hoffnung. » Sag Ja, und so soll es geschehen. «
    Corax seufzte. » Kein Hauptmann wird einem Blinden gehorchen. «
    » Sie werden keine andere Wahl haben «, sagte Sinaida verbissen.
    » Das ist lächerlich «, sagte Corax kopfschüttelnd, doch seine Miene war bitterernst. » Ein blinder Alter und ein Mädchen aus den Reihen unserer Feinde – wie sollen wir einen Krieg gewinnen? «
    » Es hat noch keiner versucht, nicht wahr? «, mischte sich die Edle Zubaida ein. » Unterschätze nicht die Frauen, Corax von Wildenburg. «
    Der Griff des Kalifen um Corax ’ Schultern wurde noch fester. » Schlag schon ein, alter Freund. «
    Libuse schien es, als suchte ihr Vater nach den richtigen Worten, um endgültig abzulehnen. Nicht allein um Zeit für ihn zu gewinnen, fragte sie: » Was ist mit dem Todesurteil? «
    Corax winkte ab. » Das hat hiermit nichts zu tun. «
    » Ich hebe es auf «, sagte der Kalif mit fester Stimme.
    » Und Allahs Wille? «, fragte Libuse.
    » Wenn es Allahs Wille ist, dass Bagdad untergeht, dann werden wir alle sterben. Ist es aber sein Wunsch, dass das Reich seiner treuen Diener bestehen bleibt, dann wird er jeden von ihnen mit seiner Liebe und Gnade bedenken. Auch einen alten, widerspenstigen Kämpen wie deinen Vater. «
    » Einen Narren, meinst du «, sagte Corax.
    Al-Mutasim schmunzelte. » Narr genug, mein Angebot anzunehmen? «
    Libuse hielt die Luft an.
    » Narr genug «, flüsterte Corax.
    Wie Glas gerann die Luft um sie, hielt sie alle fest in diesem einen atemlosen Augenblick. Doch ehe noch einer etwas sagen konnte, pochte es plötzlich ans Portal, und gleich darauf trat einer der Gardisten ein. Tief gebeugt machte er seine Meldung: » Ehrwürdiger Gebieter, der Wesir ist eingetroffen und bittet darum, Euch zu sprechen. «
    » Abu Tahir «, sagte der Kalif nachdenklich und nickte langsam. » Das trifft sich gut. «
    Libuse trat an die Seite ihres Vaters, packte ihn am Arm, ließ aber gleich wieder los, weil sie nicht wollte, dass irgendwer es als Zeichen seiner Schwäche auslegte. Schon gar nicht jener Mann, der die Schuld am Tod ihrer Mutter trug.
    Corax ’ Kiefer mahlten, und sein Körper spannte sich so sehr, dass das Leder seiner Kleidung knarrte.
    Der Kalif nahm wieder auf seinem Diwan Platz, das rechte Knie angezogen.
    » Er möge eintreten «, sagte er und gab dem Gardisten einen Wink.
    Einen Moment später wurde das Portal vollständig aufgestoßen, und mit einem einzigen Schritt trat Abu

Weitere Kostenlose Bücher