Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Recht behältst und wir alle sterben, werden wir früher dort sein, als uns lieb sein mag. «
    » Lieber heute als morgen «, sagte Sinaida ernst. » Ich kann es nicht erwarten, meinen geliebten Khur Shah wieder zu sehen. « Sie ballte eine Faust und atmete so scharf ein, dass der Schleier sich eng an ihre Lippen legte. » Aber zuvor muss ich Shadhan sterben sehen. «
    Libuse hatte schweigend zugehört, und bei der Erwähnung des Gartens Gottes fragte sie sich, was wohl Albertus dazu gesagt hätte – er war mit Harun in der Bibliothek geblieben und wusste noch nichts von den jüngsten Entwicklungen. Als keiner der anderen etwas auf Sinaidas Worte erwiderte, ergriff sie das Wort. » Was schlägst du vor? «, fragte sie die Prinzessin.
    Sinaida schien sie zum ersten Mal wahrzunehmen. Ihre Blicke trafen sich, sie taxierten einander, doch dann wandte sich die Prinzessin erneut an al-Mutasim. » Lasst mich Euren Heerführer beraten. Ich bin keine Strategin, aber ich weiß, wie die Große Horde angreift – ich habe es auf dem Weg von Karakorum nach Westen oft genug mitangesehen. Ich kenne alle Listen, die sie bei der Einnahme einer Stadt anwenden, die offenen wie die versteckten. Und dann, wenn nach den ersten Angriffen Ruhe einkehrt und die Belagerung beginnt, gebt mir eine Hand voll Eurer besten Männer, und ich werde versuchen, bis zu Shadhan und Hulagu vorzustoßen und die Horde dort zu treffen, wo sie am empfindlichsten ist – in ihrem Hirn. « Sinaida mochte eine Frau sein, von bestechender Anmut und nur wenige Jahre älter als Libuse, ihre Worte aber klangen wie die eines Kriegers, der sich in zahllosen Schlachten bewährt hat.
    » Sie spricht weise «, sagte Corax und wandte sich zum Ka lifen. » Falls sie wirklich die Witwe des Alten vom Berge ist, solltest du ihr vertrauen. Hätte sie es darauf abgesehen, dass du stirbst, dann wärst du längst tot. « Und nach kurzer Pause fügte er hinzu: » Ich kenne die Nizaris. Ich habe gesehen, was sie anrichten können. «
    Sinaidas Augen über dem Schleier verengten sich. Libuse entging keineswegs, dass die Prinzessin ihren Vater mit neu erwachtem Interesse musterte. Sie schien sich zu fragen, wer dieser blinde Riese war, kraftstrotzend trotz seines Alters und doch auf die Führung eines jungen Mädchens angewiesen.
    Als der Kalif noch immer zögerte, ergriff Sinaida abermals das Wort. » Mein Gebieter «, sagte sie, und Libuse fand, dass diese Anrede aus ihrem Mund beinahe spöttisch wirkte, » ich habe Euch alles offenbart, was ich weiß. Mein Volk wird die Stadt bald erreichen. Es ist zu spät, um jetzt noch davonzulaufen oder der Großen Horde ein eigenes Heer entgegenzuschicken. Vor Tagen, als ich all dies Eurem Wesir erzählt habe, wäre noch Zeit gewesen, den Krieg von Bagdad fern zu halten. Jetzt aber könnt Ihr nur versuchen, so viele Menschenleben wie möglich zu retten. «
    Eine ganze Weile verriet al-Mutasim mit keiner Regung, was er über ihre Worte dachte. Er legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und sann nach. Irgendwo in der Ferne ertönte eine Trompete, kaum hörbar durch die dicken Palastmauern.
    Schließlich erhob der Kalif sich erneut, schritt langsam die Stufen hinab, schaute in die Runde und legte dann Corax beide Hände auf die Schultern.
    » Wir beide waren schon einmal in solch einer Lage, alter Freund. «
    Corax nickte, und der Hauch eines Lächelns legte sich auf seine Züge. » Im Nachhinein scheinen das bessere Zeiten gewesen zu sein. «
    » Damals waren wir eingekesselt wie heute, und wir standen einer Übermacht gegenüber. Du aber hast die Taktik unserer Gegner durchschaut, weil du selbst einmal einer von ihnen warst. «
    » Wir haben sie aufgerieben, wie sie es verdient hatten. «
    Der Kalif senkte den Blick, dachte nach, dann schaute er wieder auf, geradewegs in die blinden Augen des Ritters.
    » Falls dieses Mädchen die Wahrheit spricht, dann haben wir heute vielleicht denselben Vorteil wie damals: Auf unserer Seite kämpft jemand, der die Listen unserer Feinde kennt. «
    Über das faltige Gesicht der Edlen Zubaida breitete sich zum ersten Mal im Beisein ihres Sohnes eine Wärme, die so etwas wie Mutterliebe zu verraten schien. Und Stolz darauf, dass al-Mutasim endlich das Richtige tat.
    Der Kalif blickte in die Augen des Ritters, als könnten sie einander immer noch sehen. » Wenn wir das Wissen über unsere Gegner mit dem strategischen Geschick eines großen Heerführers vereinen, dann stünden die Dinge heute ganz

Weitere Kostenlose Bücher