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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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den Keraiten. «
    Der Wesir gab sich alle Mühe, seine Demütigung nicht zu zeigen. Sinaida beobachtete ihn, das leichte Zucken unter seinem linken Auge; seine Hände, die sich zu Fäusten schl oss en; die Art, wie er seine Schultern durchdrückte und vollkommen reglos stand. Sie sah all das und wusste, dass ihre Schwierigkeiten mit ihm vermutlich gerade erst begannen. Aber war sich darüber auch der Kalif im Klaren?
    Schließlich war es Corax, der das eisige Schweigen brach.
    » Ein altes Versprechen wurde heute eingelöst «, sagte er, und die Silben grollten tief aus seiner Kehle empor. » Ein zweites soll erfüllt werden, sobald dieser Krieg beendet ist. «
    Der Wesir trat näher an ihn heran und betrachtete mit kalter Faszination die blinden Augen des Ritters. » Du willst mich herausfordern? «
    » Damals hatte ich keine Möglichkeit dazu, Abu Tahir. Aber diesmal werde ich dich töten. «
    » Es liegt keine Ehre darin, einen Krüppel zu erschlagen. «
    Libuse drängte sich zwischen die beiden. » Dann werde ich für meinen Vater kämpfen. Und für die Ehre meiner Mutter. «
    Der Wesir hob eine Augenbraue. » Die Ehre deiner Mutter? «
    Ein feines Lächeln erschien auf seinen Zügen und weitete sich zu einem Grinsen. » Bei Allah, Mädchen, was hat er dir erzählt? « Lachend wirbelte er herum und verließ den Saal.
    Libuse starrte ihm hinterher, als wollte sie sich auf ihn stürzen. Doch die Hand ihres Vaters kroch an ihrem Arm empor zur Schulter und hielt sie zurück. » Nicht «, sagte er leise.
    » Nicht heute. «
    In der Ferne erklangen wieder die Hörner.
    *
    Je näher Aelvin und Favola dem zweiten Mauerwall kamen, der die Palastgärten von den Gassen der Runden Stadt trennte, desto dichter wurde die Menschenmenge. Tausende Leiber schienen zu einer festen Masse zu gerinnen wie Lehm in einem ausgetrockneten Flussbett. Wer das Pech hatte, darin festzustecken, kam nicht mehr vor und nicht mehr zurück.
    » Da entlang! «, keuchte Aelvin und deutete auf den Eingang eines Gebäudes, das den Platz vor dem südöstlichen Gartenportal überschaute. Es handelte sich um ein Haus mit fensterloser Fassade, aus dessen flachem Dach ein Turm hervorstach. Die arabischen Schriftzeichen über der Tür konnte Aelvin nicht entziffern, aber er war ziemlich sicher, dass es sich trotz einer gewissen Ähnlichkeit nicht um eine Moschee handelte.
    Der Platz war derart mit Menschen überlaufen, dass ein Trupp Soldaten, der vom Tor der Gärten zur Außenmauer der Runden Stadt aufgebrochen war, sich mit Hieben und Trit ten eine Schneise durch die Massen bahnen musste. Klingen wurden diesmal keine gezückt. Aelvin vermutete, dass die Hauptleute den Einsatz von Waffen gegen das eigene Volk innerhalb der Runden Stadt verboten hatten, damit sich die Wut der Menschen nicht zu einem Aufstand emporschaukelte. Gefährlich genug, dass viele hatten mit ansehen müssen, wie ihre Verwandten und Freunde außerhalb der Mauern ausgeschlossen wurden.
    Noch bewegte sich der Tumult nach vorn, in Richtung der inneren Mauer, sodass kaum jemand der offenen Tür des Gebäudes Beachtung schenkte. Auf vielen Dächern hatten sich Menschen versammelt und beobachteten die Aufregung und die immer wieder in Nestern ausbrechende Panik unten auf dem Platz.
    Das Bauwerk mit dem Turm war bislang von dem Ansturm verschont geblieben. Zwar erkannte Aelvin auch dort oben ein paar Menschen, aber es waren vereinzelte Gestalten, die der Schein hunderter Fackeln vom Platz aus in trübes Orange tauchte.
    » Glaubst du wirklich, irgendwer gewährt uns dort Unterschlupf? «, fragte Favola, während sie sich zum Rand des Platzes drängelten.
    » Sieht nicht so aus, als wäre noch jemand da, der irgendetwas gewähren könnte. « Aelvin zwängte sich an einem fetten Mann mit halb aufgelöstem Turban vorbei. » Hier muss jeder selbst dafür sorgen, dass er einen sicheren Platz findet. «
    Sie erreichten den Eingang und schlüpften ins Innere. Nach kurzem Überlegen versuchte Aelvin die Tür von innen zu verschließen, doch das Schloss war zerbrochen. Sie befanden sich in einer schmucklosen Halle, auf deren gegenüberliegender Seite eine breite Treppe auf eine Galerie führte. In zwei Wandhalterungen loderten Fackeln, bis auf die Hälfte heruntergebrannt. Erst als sich seine Augen an das Licht gewöhnten, erkannte er, dass sich mehrere Familien am Fuß der Mauer n z usammendrängten. Das Gewimmer eines Kindes hob an, verstummte jedoch bald wieder.
    Aelvin flüsterte in Favolas Ohr.

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