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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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» Wenn die Menschen da draußen begreifen, dass man die Palastgärten nicht für sie öffnen wird, werden sie alle Gebäude der Runden Stadt überschwemmen. Dann wird es hier von Leuten nur so wimmeln. «
    Favola deutete auf die Treppe. » Dort rauf? «, fragte sie, machte sich aber bereits auf den Weg, ohne seine Antwort abzuwarten.
    Aelvin folgte ihr. Auf der Galerie angekommen, entdeckten sie bald einen bogenförmigen Durchgang, der in ein enges Treppenhaus führte.
    » Vom Turm aus können wir zumindest sehen, was draußen geschieht «, sagte er und lief voraus.
    Als sie nach Dutzenden von Stufen durch eine Tür ins Freie traten, waren beide außer Atem. Favola konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Noch bevor sie sich umschaute, schluckte sie Kräutersud aus einem tönernen Fläschchen, das Albertus ihr gegeben hatte. Die Medizin half niemals auf Anhieb, dennoch beruhigte sie sich ein wenig.
    Neun weitere Männer und Frauen hatten sich auf der Plattform des Turms versammelt. In einer Ecke des quadratischen Zinnenkranzes loderte ein Lagerfeuer.
    Der Mann, der ihnen am nächsten stand, musterte sie argwöhnisch, sagte aber nichts. Favola mochte man ihre abendländische Herkunft aufgrund des Schleiers nicht sofort ansehen, aber Aelvin war ganz offensichtlich kein Araber. Er hoffte inständig, dass allen hier oben bewusst war, dass es keine Christen waren, die die Stadt angriffen. Vielleicht, so durchzuckte es ihn plötzlich, war es doch kein so guter Einfall gewesen, die Anonymität der Masse zugunsten eines Unterschlupfes aufzugeben, in dem sie mit wenigen Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht waren.
    Wie sich bald zeigte, war seine Sorge vorerst unbegründet. Die Aufmerksamkeit aller war auf etwas ganz anderes gerichtet.
    Im Osten und Norden zog sich leuchtende Röte über den Horizont und tauchte die Wolkendecke von unten in geisterhafte Glut. Es sah aus, als würde jeden Moment die Sonne aufgehen.
    Die Wahrheit erkannte Aelvin einen Augenblick später. Favolas Hand krallte sich um seinen Unterarm.
    Die Mongolen hatten die Außenbezirke Bagdads auf der anderen Seite des Tigris in Brand gesteckt. Eine Feuerwand, die von einem Ende der Welt zum anderen zu reichen schien, schob sich auf das Ufer zu. Die Quartiere Nahr Buk und Kalwadha standen lichterloh in Flammen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch das Häusermeer auf dieser Seite des Flusses gebrandschatzt wurde. Für die Menschen außerhalb der Runden Stadt gab es dann keine Verstecke mehr, keinen Schutz. Keine Hoffnung.
    Aelvin legte einen Arm um Favolas Schultern. Vom Turm aus sahen sie zu, wie in immer mehr Vierteln Flammen emporloderten, nun auch im Süden, sogar im Westen. Die Krieger der Großen Horde mussten die Stadt in weitem Kreis umzingelt haben und rückten jetzt gleichzeitig vor.
    DER RUDELFüHRER
    A l s feststand, dass die Angriffe tatsächlich begonnen hatten, war Libuses erster Gedanke gewesen, Aelvin und Favola aus Ja ’ fars Haus in die Runde Stadt zu holen. So schnell wie nur irgend möglich.
    Bald aber erfuhr sie, dass alle Tore geschlossen waren und es keine Möglichkeit gab, eine noch so kleine Abordnung hinauszusenden. Die Eingangskastelle wurden nicht von Mongolen, sondern vom eigenen Volk belagert; sobald sich irgendwo auch nur ein Spalt zeigte, würden die verängstigten Massen die Gelegenheit nutzen, hereinzustürmen. Libuse sprach mit ihrem Vater darüber, der nun den Oberbefehl führte, doch er bestätigte nur, was sie längst wusste: Die Runde Stadt war abgeriegelt. Niemand konnte hinaus oder hinein.
    » Nicht einmal um Aelvins und Favolas willen? «, hatte sie verbittert gefragt.
    Corax hatte bedauernd den Kopf geschüttelt. » Es tut mir Leid. Das, was den Menschen innerhalb der Mauern noch an Sicherheit bleibt, darf keiner von uns aufs Spiel setzen. Um keinen Preis. «
    Sie hatte das nicht verstehen können, hatte ihn angefleht, dann beschimpft, doch er blieb bei seinem Entschluss. Schließlich hatte sie erkannt, dass er es bereits schwer genug hatte, als Blinder die Hauptleute von seinen Fähigkeiten zu überzeugen; das Letzte, was er in dieser Lage brauchte, war ein e z eternde Tochter an seiner Seite, die eine Sonderbehandlung für ihre Freunde verlangte.
    Aber es waren auch seine Freunde, verflucht noch mal! Tief in ihrem Inneren konnte sie ihm das nicht verzeihen. Ganz gleich, ob alle Vernunft dagegensprach.
    Falls Aelvin und Favola da draußen ums Leben kamen, trüge er einen Teil der Schuld. Auch er

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