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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Tahir al-Munadi zurück in das Leben seines Todfeindes.
    *
    Sinaida verstand nicht, was gerade geschah. Vor einem Moment war die Situation noch völlig unter Kontrolle gewesen. Es waren Entscheidungen gefallen, gute Entscheidungen, und alle hatten Grund zum Aufatmen.
    Nun aber schien mit einem Mal die Kälte einer Winternacht in der Halle Einzug zu halten. Und das war nicht die Schuld des Wesirs, der noch im Gehen die Stimme erhob. Sie fröstelte, als sie die Veränderung bemerkte, die mit Corax ’ verbrannten Gesichtszügen vorging. Die Sehnen an seinem Hals waren zum Zerreißen gespannt.
    » Die Hörner ertönen über den Dächern «, rief der Wesir auf Arabisch. Er kam mit solch energischem Schwung in die Halle, dass er im ersten Moment keinen der Anwesenden wahrnahm. » Bagdad wird angegriffen! «
    Schlagartig blieb er stehen, so starr wie die Gardisten vor der Tür. » Corax? «, flüsterte er, und sein Blick heftete sich auf das Gesicht des einstigen Ritters. » Bei Allah! « Er entdeckte Libuse, und nun weiteten sich seine Augen, wenn auch nur für einen Herzschlag. Unwillkürlich legte sich seine Hand auf den Knauf seines Krummschwerts. Über den weißen Gewändern trug er ein silbernes Kettenhemd, das wohl noch nie einen Kampf gesehen hatte, so blitzend poliert war jedes Eisenglied.
    Er war gut zehn Schritt vor Corax stehen geblieben, fasste sich erstaunlich schnell und glitt zurück in seine eingespielte Rolle. Langsam ging er weiter, hielt dann jedoch abermal s i nne. Er war jetzt nahe genug, um Corax ’ Verletzungen erkennen zu können. Sein Ausdruck verriet nicht, was ihm dabei durch den Kopf ging.
    » Was, bei Iblis und den sieben Fürsten, geht hier vor? «
    Sinaida bemerkte, dass dem Kalifen sichtlich unwohl war. Er war ein schwacher Herrscher, und in keinem Moment zeigte sich das deutlicher als in diesem. Kurz hatte sie die Befürchtung, er könne seinen Entschluss noch rückgängig machen.
    Dann aber sagte die Edle Zubaida: » Gut, dass du hier bist, Abu Tahir. Wir haben gerade von dir gesprochen. «
    Der Wesir warf ihr einen Blick zu, dessen Feuer Bände sprach über den Hass zwischen ihnen. An jedem Hof gab es zwei, die um den stärksten Einfluss auf einen Herrscher buhlten, und hier waren es zweifellos Zubaida und Abu Tahir.
    Corax sprach noch immer kein Wort. Er hätte ebenso gut aus Stein sein können. Nur die Adern an seinen Schläfen schwollen an und ab, an und ab.
    Dann, zu Sinaidas heimlichem Erstaunen, erhob der Kalif die Stimme, und jetzt war kein Anzeichen von Nachgiebigkeit mehr darin zu erkennen. Entschlossen und willensstark erklärte er dem Wesir in wenigen Sätzen, wer fortan das Heer zur Verteidigung Bagdads führen würde. Er sprach Lateinisch, damit auch Corax und Libuse seine Worte verstanden.
    Abu Tahir hörte zu, und aus Fassungslosigkeit wurde Zorn.
    » Ihr legt die Verteidigung der Stadt in die Hände eines Blinden? Eines Wracks wie ihm? « Sinaida ließ er dabei außen vor, so als sei sie ohnehin nicht ernst zu nehmen. Das machte sie wütend, brachte sie aber zugleich auf den Gedanken, dass es hier in Wahrheit um etwas ganz anderes ging. Nicht das Wohl der Stadt und ihrer zwei Millionen Bewohner, sondern allein die Feindschaft dieser beiden Männer stand plötzlich im Vordergrund.
    Das war absurd, und so empfand es auch die Edle Zubaida. » Du, Abu Tahir, hast dein Wissen über den Feind absichtlich vor deinem Gebieter zurückgehalten, um es später zu deinen Gunsten auszuspielen. « Verachtung lag in ihrer Stimme. » Du bist deines Amtes nicht würdig. Dass der Kalif dich nicht festnehmen und in den Kerker werfen lässt, hat einzig den Grund, dass ein solcher Aufruhr zu einem Zeitpunkt wie diesem schlecht für die Moral des Volkes wäre. «
    » Mit Verlaub, mein Gebieter, aber spricht Eure Mutter für Euch, oder wollt Ihr mir diese Vorwürfe selbst ins Gesicht sagen? «
    Der Blick des Kalifen verdunkelte sich. » Du hast dem Reich ein Leben lang treu gedient, Abu Tahir, daher will ich dir deine unbedachten Worte nachsehen. Aber ich kann nicht tolerieren, dass du das Schicksal der Stadt und all ihrer Bewohner in den Dienst deiner Ränkespiele gestellt hast. Daher soll alles geschehen, wie ich es entschieden habe. Du bleibst bis auf Weiteres mein Wesir und oberster Minister, und vielleicht, wenn du dich in der dunklen Zeit, die jetzt vor uns liegt, bewährst, will ich Gnade walten lassen. Die Armee aber untersteht ab sofort Corax von Wildenburg und Prinzessin Sinaida von

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