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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Aber es heißt, die Viertel jenseits des Flusses hätten als erste in Flammen gestanden. Und wenn die Mongolen auch nur halb so kluge Kriegsherrn sind, wie Sinaida behauptet, dann waren die Kasernen die ersten Gebäude, die bis auf die Grundmauern niederbrannten. «
    Libuse nahm seine Hand. » Dann ist es aussichtslos, oder? Ich meine, auch für uns alle hier in der Runden Stadt. «
    » Wir tun, was wir können, um die Verteidigung zu stärken. Auf den Zinnen des äußeren Mauerwalls drängen sich tausende von Soldaten. Aber damit ist es nicht getan. Am allerdringendsten brauchen wir Wasser. Trinkwasser, vor allem aber sicher bald Löschwasser. Und das wissen auch die Mongolen. Sie haben alle Kanäle gestaut. Ein paar unterirdische Aquädukte haben sie übersehen, die direkt hier in den Palast führen. Das ist alles. Sobald die ersten Dächer brennen, wird dieser Krieg schnell entschieden sein. Bagdad hat sich zu lange darauf verlassen, dass niemand wagt, es anzugreifen. Trotz seiner Größe ist es eine schwache Stadt geworden, verweichlicht und dekadent. «
    » Abu Tahir «, flüsterte sie hasserfüllt.
    » Es ist nicht allein seine Schuld. «
    » Du verteidigst ihn? «
    » Ich würde ihn auf der Stelle töten, wenn ich es könnte. Aber die Wahrheit ist, dass der Untergang Bagdads schon vor vielen Jahrzehnten begonnen hat, vielleicht vor Jahrhunderten. Eine schwache Generation hat die nächste hervorgebracht. Al-Mutasim weiß das. Aber er ist ebenso hilflos wie seine Vorgänger auf dem Kalifenthron. « Corax ’ Lachen kündete von Bitterkeit. » Die Tatsache, dass er einen Blinden zu seinem Heerführer ernennt, verrät viel über das Maß seiner Verzweiflung, denkst du nicht auch? «
    » Ich wüsste keinen Besseren «, sagte sie mit fester Stimme.
    Er zuckte nur die Achseln, so als hätte er sein Schicksal akzeptiert. » Sehen wir es von der erfreulichen Seite – mein Todesurteil wurde aufgehoben. Ich bin ein freier Mann … wäre da nicht die Kleinigkeit von dreihunderttausend Mongolenkriegern, die uns umzingelt haben. «
    Seufzend rückte sie an seine Seite und legte schweigend den Kopf an seine Schulter. Er streichelte über ihr langes Haar und rieb die Spitzen zärtlich zwischen den Fingern wie ein Tuchhändler, der die Qualität einer edlen Faser genießt.
    » Das Haar deiner Mutter «, flüsterte er.
    Ihr lagen noch so viele Fragen auf der Zunge, doch sie behielt sie alle für sich. Dies war ein Moment allein zwischen Vater und Tochter. Ihre Mutter, sogar die Erinnerung an sie, gehörte nicht hierher.
    » Aelvin und Favola sind tot «, sagte sie nach einer Weile, selbst erstaunt, wie emotionslos ihre Stimme klang.
    » Das kannst du nicht wissen. «
    » Mein Herz weiß es. «
    » Du magst den Jungen, nicht wahr? «
    Stumm nickte sie. Er konnte die Bewegung an seiner Schulter spüren, und das war Antwort genug.
    » Und Favola? «, fragte er. » Ich dachte, sie und er … «
    » Ich habe mit ihr darüber gesprochen, während der Fahrt auf dem Tigris, und auch schon davor. Sie hat gesagt, dass er sie mag. Dass er sie beschützt. Aber dass das, was er für sie empfindet, keine Liebe sei. Nicht wie die Liebe zwischen Mann und Frau. Eher wie … unter Geschwistern. «
    Corax drückte sie an sich. » Du wirst ihn wieder sehen «, sagte er.
    » So wie Sinaida ihren Khur Shah? Im Garten Gottes? « Sie hatte spöttisch klingen wollen, doch die Worte kamen nur traurig heraus.
    Corax atmete tief durch. » Er liegt am Ende unseres Weges – auf die eine oder andere Weise. Zumindest darin wird Albertus wohl Recht behalten. «
    *
    Als Libuse die Kammer verließ, sah sie den Wesir am anderen Ende des Saales stehen, vertieft in ein Gespräch mit mehreren Männern, die sie zuvor noch nicht gesehen hatte. Vielleicht ein paar seiner Minister. Oder Meuchelmörder, wisperte ihre innere Stimme.
    Viele Menschen befanden sich in dem Saal, vor allem Soldaten und deren Hauptleute. Sinaida und der Kalif standen weit entfernt am Kopfende des Saals und stützten die Hände auf den Rand eines großen Holzmodells der Stadt. Es war hoffnungslos veraltet, aber immer noch die beste Karte Bagdads, die sie besaßen.
    Abu Tahir nickte den drei anderen Männern zu, dann verschwanden sie in einem Korridor. Er selbst verließ die Halle durch einen zweiten Gang.
    Libuse folgte ihm in einigem Abstand. Besser, als untätig herumzustehen und den anderen bei der Planung der Verteidigung zuzuschauen.
    Bald huschte sie durch einen Teil des Palastes, in dem

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