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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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bändigen.
    Aelvin kauerte nur da und starrte Favola an, während Gabriel zu ihren Füßen starb. Sie hing schlaff im Griff des Kriegers und wandte langsam den Kopf zu ihnen um. » Ich habe es gesehen «, flüsterte sie. » Ich wusste, dass es so geschehen würde. «
    Shadhan trat vor, betrachtete sie mit kühlem Interesse, fasziniert wie von einem exotischen Tier, dann schüttelte er stumm den Kopf und wandte sich an die Gefährten.
    » Das da « – er zeigte auf das Bündel – » gehört jetzt mir. «
    » Nein! « Albertus erwachte aus seiner Starre, warf sich über den Luminaschrein und presste ihn an sich.
    Sie werden alle wahnsinnig, durchfuhr es Libuse benommen. Sie verlieren den Verstand, jeder Einzelne von ihnen.
    Shadhan gab seinen Kriegern einen Wink. Zwei traten vor, einer hielt den Magister fest, der andere entriss ihm das Bündel, und reichte es seinem Meister. Shadhan nahm es entgegen, und ohne hineinzusehen, keifte er einen weiteren Befehl in der Sprache der Mongolen. Der Turgaude nickte, trat zurück vor Albertus und begann, seine Gewänder zu durchsuchen.
    » Lasst sie los! «, brüllte Aelvin und wollte sich auf den Mann stürzen, der Favola festhielt.
    Libuse nahm die Umgebung wahr wie durch einen Schleier. Wie betäubt.
    Ein Schlag traf Aelvin im Gesicht und schleuderte ihn zu Boden.
    Favola schrie auf.
    Albertus tobte, als der Turgaude unter seinem Mantel eine lederne Rolle hervorzog. Einen Augenblick später nahm Shadhan sie entgegen.
    » Die Karte des Jüngers, wenn mich nicht alles täuscht «, sagte er mit einem Lächeln, das wie eine Maske seine wahren Gedanken verbarg. » Also hat euer wölfischer Freund die Wahrheit gesagt. « Seine Hand strich über den Luminaschrein.
    » Die neue Saat des Gartens Gottes. «
    Gabriels Wolfsheulen verebbte mit einem Krächzen. Sein Kopf fiel leblos zur Seite. Schlagartig zog sich die fremdartige Kälte aus Libuses Herzen zurück.
    » Nein! «, schrie Albertus erneut. » Das ist nicht für dich! «
    » Wir werden sehen «, sagte Shadhan.
    Dann wanderte er mit Schrein und Karte zum Portal und trat hinaus in den feuergetränkten Morgen.
    *
    Trunken vom Tod, erschlagen vom Ausmaß ihrer Niederlage, saßen sie beieinander, nicht mehr in der Großen Halle, sondern in einem dunklen Verlies des Palastes.
    Albertus stand vor der Gittertür und wandte ihnen allen den Rücken zu. Er hatte kein Wort gesprochen, seit man sie hierher gebracht hatte. Welche Gedanken ihm auch durch den Kopf gehen mochten, er war nicht bereit, sie mit ihnen zu teilen.
    Favola und Aelvin saßen nebeneinander, beide mit angezogenen Knien, die Arme um die Beine geschlagen, und starrten brütend geradeaus. Zwischen ihnen war gerade genug Platz, dass sich ihre Kleidung nicht berührte. Doch da war noch mehr, das sie trennte, eine unsichtbare Wand aus Vorwürfen und dem Nachhall von Aelvins Anklage, sie habe den Verstand verloren, zuvor, auf dem Weg in den Kerker. Libuse sah ihm an, dass ihm seine Worte jetzt Leid taten, aber er bracht e n icht die Kraft auf, sich zu entschuldigen. Es hätte wohl auch nichts geändert.
    Auch Sinaida war bei ihnen. Zumindest ihr Schweigen verwunderte niemanden; es passte zu ihrem früheren Verhalten, ihrem berechnenden In-sich-gekehrt-Sein. Ihr Hiersein war kein gutes Zeichen. Dass man die Prinzessin hinrichten wollte, stand außer Frage. Die Tatsache, dass die anderen mit ihr zusammen festgehalten wurden, warf einen düsteren Schatten über das Schicksal aller.
    Libuse fühlte sich trotz allem sonderbar klar, die Welt und ihre verzweifelte Lage erschienen in übertriebener Schärfe vor ihren Augen. Es war, als hätte sie noch bis vor kurzer Zeit alles, was geschehen war, durch eine Scheibe aus trübem Glas betrachtet.
    Hier also war sie nun, ganz benommen von einer Distanz, die ihr früher vollkommen fremd gewesen wäre. Sie war nie distanziert gewesen. Immer hatte sie sich in alles eingemischt, war wütend auf Gott und die Welt gewesen, ob es sie nun etwas anging oder nicht. Und jetzt? Sie beobachtete die anderen, verfolgte das Spiel ihrer Mimik, ihre Bewegungen oder das gänzliche Fehlen von beidem.
    Die Lumina war verloren. Die Karte gestohlen.
    Ihre Mission war gescheitert.
    Corax hatte es vorausgesehen. Noch auf dem Sterbebett hatte er die Ausweglosigkeit ihrer Lage heraufbeschworen, doch weil in Wahrheit sie die Blinden gewesen waren, nicht er, hatten sie es nicht einsehen wollen.
    Libuse blickte auf, als aus Favolas Richtung ein Röcheln ertönte. Sie

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