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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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hielten.
    Sinaida redete erneut auf den Schamanen ein. Sein schrundiges Gesicht blieb unbewegt. Libuse blickte von Aelvin zu Favola und schließlich auf Albertus. Seine altersfleckigen Hände hatten sich in den Sand gekrallt, doch er hielt seine Wut im Zaum.
    Schließlich wandte Sinaida sich erneut den Gefährten zu.
    » Einer von uns darf mitgehen, um Favola zu stützen … Unbewaffnet «, setzte sie hinzu, » genau wie Shadhan. «
    » Und wer soll das sein? «, fragte Libuse. » Schreibt er uns das auch vor? «
    » Diese Entscheidung bleibt uns überlassen. « Sie straffte sich. » Ich bin die Einzige, die Shadhan mit bloßen Händen töten kann. «
    » Glaubst du wirklich, dass es darum geht? «, fragte Aelvin. » Ums Töten? «
    » Deshalb bin ich hier. «
    » Ich werde mit Favola gehen. « Albertus erhob sich. » Ich habe diese Sache begonnen, und ich werde sie zu Ende bringen. Favola und ich waren die Ersten, die zu dieser Reise aufgebrochen sind. Wir sollten sie auch gemeinsam beenden. «
    » Du glaubst tatsächlich, dass Gott dort auf dich wartet? «
    Sinaida sah ihn eindringlich an, aber es lag keine Streitlust in ihrer Stimme. Nicht einmal Hohn.
    Für einen Moment schien es, als wollte Albertus etwas darauf erwidern. Dann aber schüttelte er den Kopf. » Es bleibt dabei. Ich werde gehen. «
    Der Schamane berührte Sinaida an der Hand. Als sie sic h z u ihm umwandte, sprach er in seiner schnellen, silbenreichen Sprache zu ihr. Sie stellte eine Frage, bekam Antwort und nickte schließlich.
    » Er sagt, Favola soll selbst entscheiden. «
    Libus e schloss die Augen. Kälte kroch in ihr empor.
    » Aelvin «, flüsterte Favola tonlos. » Ich möchte Aelvin bitten, dass er mit mir geht. «
    *
    Stille lag über dem Zentrum der Rub al-Khali. Der Wind schwieg, das Sandmeer war zur Ruhe gekommen. Die Sonne stand niedrig über dem Horizont und flutete den Himmel mit wabernder, violett durchaderter Glut. In spätestens zwei Stunden würde die Nacht die Wüste erreicht haben, und mit ihr kamen die Kälte und das Silberlicht der Sterne.
    Es wäre sicherer gewesen, mit dem Aufbrach bis zum Morgen zu warten. Doch sie hatten keine Zeit zu verlieren. Niemand wusste, was aus Shadhan und der Lumina geworden war. Und obgleich es keiner aussprach, hegten doch alle Zweifel, dass Favola den kommenden Sonnenaufgang ohne die Nähe der Pflanze erleben würde.
    Die Stelle, an der sie von den Freunden Abschied nahmen, lag an der Grenze dessen, was Sinaida das Wüstenherz genannt hatte. Es gab keinen sichtbaren Übergang. Auffällig war nur, dass die Dünen von hier an noch dichter mit den schwarzen Trümmerstücken bedeckt waren. Sie ragten überall aus dem Sand empor, mal nur eine Handbreit, dann wieder mannshoch, ein Ozean aus scharfkantigen Splittern, der für Kamele kaum zugänglich war; die Gefahr, dass sie sich an den steinernen Klingen die Fesseln und Sehnen zerschneiden würden, war groß.
    Aelvin sah noch einmal über die Reihen der Stelzenläufer, die jetzt wieder oben auf den Dünen erschienen waren. Reglos und schweigend harrten die Qurana dort aus und blickten in einem weiten Halbkreis auf die Gefährten, den Schamanen und seine beiden Bewacher herab. Es gab so viele Fragen, die sich beim Anblick dieses sonderbaren Volkes aufdrängten, doch Aelvin beschäftigten jetzt andere Gedanken.
    Wegen der Steinsplitter, aber auch aufgrund der undurchschaubaren Gesetze der Wächter, würden er und Favola das letzte Stück ihres Weges zu Fuß zurücklegen. Favola konnte kaum stehen, geschweige denn laufen. Er würde sie bei jedem Schritt stützen, irgendwann gewiss tragen müssen. Dabei war er selbst völlig erschöpft, sein Körper ausgezehrt und müde.
    Und dann war da noch der Moment, in dem sie Shadhan gegenüberstünden und in dem … ja, was eigentlich geschehen würde? Aelvin wusste es nicht. Wie auf so vieles kannte er auch darauf keine Antwort.
    » Wie werden wir die Stelle erkennen, an der der Jünger die Lumina gefunden hat? «, fragte er in die Runde, obgleich er annahm, dass dies von allen Rätseln dasjenige war, das sich am ehesten von selbst lösen würde. Sie mussten nur Shadhans Spur folgen. Er hatte noch immer die Karte bei sich.
    Albertus, der sich keineswegs damit abgefunden hatte, dass ein vom Glauben abgefallener Novize statt seiner den Garten Eden betreten sollte, murmelte etwas Unverständliches. Als alle Blicke sich auf ihn richteten, seufzte er und sagte: » Auf der Karte war die Rede von mehreren Sandtälern.

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