Das Büro
Geschichte studiert, doch Maarten konnte sich an seinen Namen nicht erinnern, und als er eines Morgens den ersten Raum betrat und einen Mann seines Alters am Schreibtisch in der Nähe des Fensters sitzen sah, erkannte er ihn nicht. Der Mann war schwer beschäftigt und sah nicht hoch. Maarten musste ein Zögern überwinden, bevor er auf ihn zuging. „Ich bin Maarten Koning.“
Der Mann sah ungehalten auf und reichte ihm geistesabwesend die Hand. „Jaap Balk.“
„Ich bin hier für den Atlas für Volkskultur eingestellt worden“, erläuterte Maarten.
„Das habe ich gehört.“ Balk machte Anstalten, sich wieder an die Arbeit zu begeben, doch nun, da Maarten einmal vor ihm stand, fand er es idiotisch, gleich wieder wegzugehen. „Wir müssten uns eigentlich kennen“, sagte er, „aber ich erinnere mich nicht. Du hast doch auch 1946 angefangen.“
„Der Grund wird sein, dass ich ein sehr unregelmäßiger Besucher der Vorlesungen war“, antwortete Balk mit einem hämischen Lachen. „Ich habe meine Studentenzeit anders verbracht. Wein, Weib und Gesang, um es einmal so auszudrücken.“
„Ich auch“, wollte Maarten sagen, doch er konnte es gerade noch zurückhalten. Es hätte übrigens nicht der Wahrheit entsprochen, nicht einmal ansatzweise. „Wir sehen uns noch.“ Er ging mit einer unsicheren Bewegung zum Schreibtisch Hein de Boers hinüber. „Hoi“, sagte er.
„Hi“, sagte Hein.
Maarten nickte vage Meierink und ter Haar zu, die ihn beide ansahen und das Kennenlernen mit Balk interessiert verfolgt hatten, Meierink mit einem unbestimmten Lächeln. „Ich bin eigentlich gekommen, weil ich die Karte des Irrlichts noch einmal sehen wollte“, sagte er, mit seinen Gedanken noch bei der Begegnung. Sie lag neben Hein auf dessen Schreibtisch, und er schob sie ihm hin. Maarten beugte sich darüber und versuchte sich zu konzentrieren. Ebenso wie die Karte der Wichtelmännchen war die des Irrlichts mit einem Wirrwarr von Zeichen bedeckt, in dem bei oberflächlicher Betrachtung keinerlei Muster zu erkennen war. Wenn es in der Vergangenheit bereits einen Unterschied zwischen freien Friesen, runden Seeländern, Gelres Helden und Hollands Löwen gegeben hatte, dann war darin von ihren Ideen über die Bedeutung des Irrlichts auf den ersten Blick nichts zu erkennen – um von den Friesen, Franken und Sachsen ganz zu schweigen. „Wo kommst du eigentlich her?“, fragte er, noch immer etwas abwesend.
„Von hier“, sagte Hein. Er deutete auf einen Ort auf der Insel Walcheren. Weil er Maartens Schulter berührte, tat dieser unwillkürlich einen Schritt zur Seite. Er verglich das Zeichen bei diesem Ort mit der Legende in der Kartenecke. „Und glaubt man dort wirklich, dass ein Irrlicht einen Todesfall ankündigt?“, fragte er, irritiert durch die körperliche Nähe.
Hein lachte, ein wohltönendes, kokettes Lachen. „Ich habe jedenfalls nie davon gehört.“
„Aber deine Eltern.“
„Meine Eltern auch nicht. Eigentlich niemand, den ich kenne. Für solche Dinge muss man wahrscheinlich die örtlichen Klatschtanten fragen.“
Maarten lachte. „Und die haben es sich ausgedacht.“
„Oder sie haben es aus einem Buch. Oder vielleicht auch tatsächlich von noch älteren Leuten.“
Maarten sah nachdenklich auf die Karte. „Eigentlich müsste man das wissen“, und dann, ohne Übergang, „ihr habt im Krieg unter Wasser gestanden, nicht wahr?“ Er blickte zur Seite, weil Balk angefangen hatte, mit erhobener Stimme zu lesen. „Wie war das?“
Hein lachte. „
Span
nend, weißt du. Enorm
span
nend.“
Die Antwort gefiel Maarten. „Eigentlich war der Krieg verdammt toll.“
Die Bemerkung belustigte Hein wiederum, doch sie störte Meierink, der das Gespräch verfolgt hatte. „Das dürfen Sie so nicht sagen, Herr Koning“, sagte er mahnend. „Wenn man nur an die Menschen denkt, die auf eine schreckliche Weise ums Leben gekommen sind, dann haben wir kein Recht dazu.“
Inzwischen war Balks Stimme immer lauter und heftiger geworden. Er trommelte nun auch mit den Fingerspitzen auf seinem Schreibtisch, im Rhythmus der Sätze in seinem Buch.
„Natürlich nicht“, beschwichtigte Maarten. Der Mann ärgerte ihn. Er blickte zu Balk. „Aber ich glaube, wir stören.“
Er verließ den Raum wieder durch die Hintertür, an Veerman vorbei. Im mittleren Zimmer, auf dem Weg zu seinem Platz, blieb er vor dem Regal stehen, in dem die Kästen mit den Fragebogen gestapelt waren. Die mit den Fragen über die
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