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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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„Siehst du das?“
    „Nein“, sagte sie.
    Stoutjesdijk beugte sich vor und sah genauer hin.
    „Du musst auf dieses Zeichen achten. Auf der einen Seite kommt es häufiger vor, auf der anderen Seite fast gar nicht.“
    „Ja, ich glaube, dass ich es sehe“, sagte sie zögernd.
    „Die Leute auf dieser Seite haben die Nachgeburt aufgehängt oder hängen sie noch immer auf, die auf der anderen Seite nicht. Das ist eine Kulturgrenze.“
    „Und was bedeutet das jetzt? Es sind doch dieselben Leute!“
    „Ja, jetzt! Aber vielleicht hat es dort früher eine politische, religiöse oder ethnische Grenze gegeben. Das weiß man nicht.“
    „Und wann weiß man es dann?“
    „Wenn man dieselbe Grenze auch bei anderen Phänomenen findet.“
    „Aber die haben Sie noch nicht gefunden“, stellte Stoutjesdijk fest.
    „Nein. Wir haben erst zwei Kulturgrenzen gefunden, die andere verläuft hier“, er zeigte auf die Staatsgrenze, „die hat Vanhamme entdeckt, aber die muss aus einer anderen Zeit stammen.“
    „Und all die anderen Angaben?“, fragte Heidi. „Nehmen wir die denn nur aus Spaß an der Freude ins Karteisystem auf?“
    „Wir müssen doch auch Auskünfte geben.“ Er richtete sich auf. „Wir bekommen sicher hundert Anfragen pro Jahr. Ich würde mir keinen Rat wissen, wenn ich kein Karteisystem hätte, denn aus dem Kopf weiß ich nichts.“ Er rollte die Karte wieder zusammen.
    „Es ist also auch eine Art Wörterbuch.“
    „Ja, es ist eine Art Wörterbuch.“
    „Gut, dann verstehe ich es.“
    „Ergibt es dann Sinn?“
    „Ja, natürlich ergibt es dann Sinn“, sagte sie entrüstet. „Ein Wörterbuch! Das ist doch immer sinnvoll!“
    Er lachte. „Gut.“ Er wandte sich ab. Annechien hatte während der gesamten Zeit weitergetippt. Er blieb bei ihr stehen. „Wann kommt denn das Kind?“, fragte er.
    „Nächsten Monat“, sagte sie, ohne aufzublicken.
    „Und wie lange wolltest du noch arbeiten?“
    „Bis Ende des Monats.“
    „Dann werde ich mal langsam Ersatz suchen“, sagte er und tat sein Bestes, um es möglichst freundlich klingen zu lassen.
     
    „Und was ist der Sinn?“, fragte Beerta, als Maarten den Raum wieder betrat.
    „Der Sinn ist, dass das Karteisystem ein Wörterbuch ist.“ Er legte die Karte auf den Stapel zurück.
    Beerta legte die Brille hin und stand auf. „Das ist keine schlechte Idee.“ Er sah Maarten an. „Das hätte auch von mir sein können.“
    Es klopfte. Sie sahen beide zur Tür.
    „Du brauchst nicht anzuklopfen“, sagte Maarten, als Heidi eintrat.
    „Das wusste ich nicht.“ Sie sah kurz zu Beerta, grüßte ihn jedoch nicht. „Ich habe gehört, dass Sie jemanden suchen, und ich glaube, dass mein Freund hier gern arbeiten würde.“
    „Wie heißt er?“
    „Ad Muller.“
    „Er soll mal vorbeikommen.“
    Beerta hatte unbewegt zugesehen. „Ist das Fräulein Bruul?“, fragte er, als Heidi den Raum wieder verlassen hatte.
    „Ja.“
    „Ist sie mir schon mal vorgestellt worden?“
    „Ja, natürlich“, sagte Maarten entrüstet.
    „Ich kann mich nicht daran erinnern, aber ich werde alt. Sie ähnelt Frau Haan ein wenig, findest du nicht?“
    „Vielleicht ist das ja der Grund, weshalb Sie sich nicht mehr an sie erinnern?“, äußerte Maarten boshaft.
    „Das könnte sehr gut sein. Ich wäre vorsichtig mit ihr. Es ist besser, Männer einzustellen.“ Er spitzte die Lippen und setzte sich wieder an den Schreibtisch. „Wie läuft es eigentlich mit diesem S-stoutjesdijk? Hat der schon mit seiner D-doktorarbeit angefangen?“
    *
    „Ich habe heute nacht noch mal darüber nachgedacht“, sagte Beerta, als Maarten morgens eintrat. Er stand am Karteisystem und stieß das Schubfach, in dem er etwas nachgeschlagen hatte, wieder zu. „Sollen wir das Wörterbuch nicht zusammen machen?“ Er sah Maarten listig an.
    Der Vorschlag überraschte Maarten. Er empfand ihn als unsittlich. „Es ist noch lange nicht fertig“, wehrte er ab.
    „Wie lange dauert es denn noch?“
    „Jahre“, sagte Maarten stur. Er setzte sich.
    „Warum Jahre?“, fragte Beerta erstaunt. „So etwas braucht doch nicht Jahre zu dauern?“
    „Allein schon die Eingabe der Daten aus den Fragebogen dauert Jahre, und dann noch die aus der Literatur und dem Ausschnittarchiv!“
    „So viel Arbeit ist das doch nicht!“
    „Wir haben 35.000 Fragebogen im Haus“, rechnete Maarten vor, „sagen wir zwanzig Daten pro Fragebogen, das ist niedrig gegriffen, das sind 700.000 Karteikarten. Niemand tippt mehr als 35

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