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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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Mitglied werde. Dann tust du es eben für mich, hat er gesagt.“
    „Wann war das denn?“
    „Vor zwei Jahren, glaube ich.“
    „Komisch, dass du nie etwas davon erzählt hast.“
    „Vielleicht habe ich mich geschämt, oder ich fand es einfach nicht wichtig.“
    „Aber so etwas erzählt man doch!“
    „Ja“, sagte er schuldbewusst, „aber es ist einfach nicht zur Sprache gekommen. Ich habe nicht daran gedacht. Es ist auch nicht wichtig.“
    „Und worum ist es heute gegangen?“
    „Um das Sammeln von Liedern.“
    „Liedern?“
    „Da gibt es einen Mann, der sie sammelt, und der hat darüber erzählt. Jaring Elshout.“
    „Und was war das für ein Mann?“, drängte sie, ein wenig ungeduldig, weil sie ihm alles aus der Nase ziehen musste.
    „Ich fand ihn ganz nett“, sagte er abwesend. „Er hat auch noch eine Radiosendung.“ Er sah seine Schwiegermutter an. „Kennen Sie noch Lieder?“
    „Lieder?“ Sie lachte, als ob sie zum Narren gehalten würde. „Nein, also wirklich.“
    „Sie kennen doch wohl noch ein paar Lieder? Sie haben früher doch bestimmt Lieder gesungen, als Sie noch klein waren.“
    „O ja, natürlich, aber das waren gewöhnliche Lieder.“
    „Was waren das denn für Lieder?“
    „Na ja“, sie dachte nach, „das weiß ich eigentlich nicht mehr so genau.“
    „Eins reicht.“
    Sie dachte angestrengt nach, dann klärte sich ihr Gesicht auf. „
Als ich jung war, wollt’ ich mich nicht gut betragen
“, sagte sie, ein wenig feierlich, „
und ich ging, wenn die Schulstund’ geschlagen,/spazieren in dem grünen Wald,/ich wollt’ nicht lernen, doch schon bald/musst ich betteln für die Kost!
– das sagte mein Vater immer.“
    Er schmunzelte. „Das ist kein Lied, das ist ein Reim. Kennen Sie keine Lieder, mit einer Melodie?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Lieder kenne ich nicht.“
    Er sah auf sein Glas und dachte nach. Aus dem Nichts kam ihm unerwartet ein Lied in den Sinn, das seine Mutter für ihn gesungen hatte, als er klein war. „
Ich will bei dir sein,/ich lass dich nicht los,/doch du darfst nicht schrei’n,/ich bin ja bei dir,/Du bist schon groß,/Du bist schon groß
.“ Er sang es zögernd. Zu seiner Überraschungwühlte ihn das Lied auf. Er blickte seine Schwiegermutter verlegen an. „Kennen Sie das nicht?“ Seine Stimme klang ein wenig heiser.
    Sie lachte. „Nein.“
    „Du auch nicht?“, fragte er Nicolien, um Haltung bemüht.
    „Nein“, sagte sie.
    „Seltsam.“ Er wandte sich wieder seiner Schwiegermutter zu. „Das ist nun Wissenschaft, dass jemand etwas singt und wir es dann aufschreiben, damit es nicht verloren geht.“ In seiner Stimme lag Spott.
    „Ach Junge“, sie lachte, „lass dich mal untersuchen.“
    „Glauben Sie mir nicht?“
    „Kein Stück.“
    „Finden Sie es denn nicht wichtig, dass die Dinge aus der Vergangenheit festgehalten werden?“
    „Ach, das geht doch gar nicht!“
    „Warum nicht?“
    „Früher war doch alles anders!“
    „Was war denn anders?“
    „Na ja, alles.“ Sie dachte nach, ein bisschen verunsichert. „Früher waren die Menschen gläubiger.“
    „Finden Sie das denn wichtig?“
    „Ja“, sagte sie unsicher.
    „Warum denn?“
    „Weil der Mensch einen Halt haben muss“, sagte sie, in die Enge getrieben. „Es ist nicht gut, ganz allein dazustehen.“
    „Nein“, gab er zu.
    Nicolien stand auf, um in die Küche zu gehen.
    „Soll ich dir helfen?“, fragte ihre Mutter und legte die Hände auf die Lehnen ihres Sessels.
    „Ich ruf Sie dann schon.“
    Maarten trank seinen Schnaps aus und schenkte sich erneut ein. „Möchten Sie auch noch?“, fragte er und sah seine Schwiegermutter an.
    „Dank dir, ich habe genug.“
    Er nickte. „Sie kennen Ihre Grenzen.“
    „So gehört es sich doch auch?“
    „So gehört es sich.“
    „Denn sonst würden verrückte Dinge passieren.“
    „Ja, ziemlich verrückte Dinge.“ Er nahm einen Schluck und sah sie wieder an. „Was glauben Sie eigentlich, wie es kommt, dass die Menschen weniger gläubig geworden sind?“
    „Ja, das weiß ich doch nicht. Von all diesen neuen Dingen vielleicht, dass sie jetzt auch schon zum Mond müssen. Dann fängt man an zu zweifeln, ob es wohl so etwas gibt.“ Sie sah ihn unsicher an.
    „Einen Himmel, meinen Sie?“
    „Ja. Denn wenn sie auch schon zum Mond fliegen und das so weitergeht, dann fragt man sich doch, ob es
noch
etwas geben kann. Das ist nicht gut.“
    „Das ist auch eine Frucht der Wissenschaft.“
    „Ja. Ich glaube

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