Das Büro
Schaden vom Büro abwenden kann –, feiern sie krank oder hecken Intrigen gegen ihren Chef aus. Dabei wäre Maarten nun wirklich der Allerletzte, der ein solches Verhalten verdient hätte – ein Mann, der sich, wie er selbst findet, um seine Leute stets wie der gute Hirte um seine Schäfchen bemüht hat. Und wie wird es ihm gedankt? Kaum hat Maarten im letzten Band des Zyklus den wohlverdienten Ruhestand angetreten, macht sich seine Abteilung daran, rigoros die Spuren seines Wirkens zu tilgen – bis hin zur unangekündigten Entfernung seines Schreibtisches, den man ihm zunächst noch als eine Art letzte Bleibe belassen hatte.
Während all der Jahre lebt Maarten an der Seite einer Frau, die man, um es vorsichtig auszudrücken, mögen muss, um sie ertragen zu können. Nicolien, so ihr Name, hatte sich eigentlich ein Leben mit ihm im trauten Heim vorgestellt, in dem man – arm, aber glücklich – den alten linken Idealen von einem „wahrhaftigen“ Leben nachhängen kann. So passt es ihr gar nicht, dass Maarten den ganzen Tag außer Haus ist und langsam, aber sicher Karriere macht – und das lässtsie ihn nur allzu deutlich spüren. Sie kritisiert, dass er sich immer mehr anpasst, immer mehr Geld verdient, immer weiter in der Hierarchie aufsteigt und demzufolge immer mehr arbeiten muss. Und vor allem hasst sie es, wenn er das Büro auch noch mit nach Hause bringt.
„Mach das Tonbandgerät aus!“, rief sie wütend. Sie ging auf den Tisch zu. „Ausmachen!“
„Warum?“ Er hatte Angst, dass sie den Apparat vom Hocker werfen würde, und hielt seine Hände bereit, um ihn zu schützen.
„Weil ich es
will
! Weil ich dieses Scheißding nicht in meinem Haus haben will! Ausmachen, sag ich!“ Sie war außer sich.
Widerwillig schaltete er den Apparat aus. „Verdammt noch mal“, sagte er missmutig.
„Was fällt dir ein, mich heimlich, aufzunehmen! In meinem eigenen Haus! Und ich weiß von nichts! Was fällt dir bloß ein!“
„Es war nicht heimlich!“, sagte er und wurde seinerseits zornig. „Ich wollte dich nur mal hören lassen, wie deine Stimme klingt! Ich dachte, es würde dir gefallen!“
„Gefallen?“, wiederholte sie wütend. „Gefallen? Kennst du mich noch immer nicht? Weißt du nach sechzehn Jahren immer noch nicht, dass ich so ein Scheißding nicht in meinem Haus haben will? Es ist schon schlimm genug, dass du im Büro damit zu tun hast! Dann brauchst du es doch nicht auch noch mit nach Hause zu bringen!“
So löst sich für Maarten auch die letzte Hoffnung allmählich in ein Nichts auf, dass es für ihn auf dieser Welt doch noch irgendwo ein Plätzchen in der Sonne geben könnte.
*
Johannes Jacobus (Han) Voskuil wurde am 1. Juli 1926 in Den Haag geboren. Sein erster Roman
Bij nader inzien
(1963) über die Freundschaft zu seinen Studienkollegen, in dem auch bereits Maarten Koning als Hauptfigur auftritt, stieß zunächst auf wenig Beifall, wurde aber Anfang der 1990er Jahre „wiederentdeckt“, nachdem im niederländischen Fernsehen eine sechsteilige Serie nach Motiven des Romans gelaufen war, die beim Publikum großen Anklang fand. Seinen eigentlichen literarischen Durchbruch hatte Voskuil jedoch erst gut dreißigJahre nach dem Erscheinen seines Debüts mit seinem zweiten Roman
Het Bureau
(1996–2000). Zuvor war der Autor in den Niederlanden eher einem kleinen Fachpublikum als Volkskundler bekannt gewesen, der sich als „wissenschaftlicher Beamter“ am renommierten Meertens Instituut in Amsterdam insbesondere mit dem Aufbau eines riesigen Schlagwortkatalogs zur Volkskunde einen Namen gemacht hatte.
Noch vor der Veröffentlichung des letzten Bandes von
Het Bureau
erschien ein weiterer Roman,
De moeder van Nicolien
(1999), in dem Voskuil über das Leben mit seiner dementen Schwiegermutter schreibt. Darauf folgten weitere autobiographische Romane über einen langjährigen Freund (
Requiem voor een vriend
, 2002) sowie – postum – über die Liebesaffäre mit einer alten Freundin (
Binnen de huid
, 2009) und über die Beziehung des Ehepaars Voskuil – beziehungsweise Koning – zu seinen beiden homosexuellen Nachbarn in der Herengracht in Amsterdam (
De buurman
, 2012). Außerdem sind von Voskuil zwei Bände mit Porträts und Erinnerungen erschienen (
Onder andere
, 2007, und
Jeugdherinneringen
, 2010), eine Reihe von Reiseskizzen (
Reisdagboek 1981,
2000,
Terloops, voettochten 1957–1973,
2004,
Buiten schot, voettochten 1974–1982,
2005, und
Gaandeweg, voettochten
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