Das Büro
einem wenig aufregenden Thema wie dem Alltag in einem Büro aufwartet und der zudem in einer so nüchternen, fast holzschnittartigen Sprache geschrieben ist, dass sie von Kritikern gelegentlich als „Buchhalterprosa“ verspottet wurde.
Immerhin wurde dem Roman auch die literarische Anerkennung nicht versagt. Bereits kurz nach Erscheinen der ersten Bände erhielt J. J. Voskuil drei bedeutende Literaturpreise: 1997 den renommierten F. Bordewijk-Preis (für Band 1 und 2), 1998 den Prix des Ambassadeurs der in den Niederlanden akkreditierten Botschafter (für die Bände 2 und 3) und noch im selben Jahr den Libris-Literaturpreis (für Band 3). 2002 nahm die Maatschappij der Nederlandse Letterkunde, eine altehrwürdige literarische Gesellschaft in den Niederlanden unter Schrimherrschaft der Königin, den gesamten Büro-Zyklus in den „Kanon der niederländischen Literatur“ auf, und 2007 landete der Roman auf der Liste der zehn besten niederländischsprachigen Bücher der Tageszeitung
NRC Handelsblad
.
Was ist bloß an diesem Roman, dass er unsere ansonsten doch eher nüchternen Nachbarn zu solchen Begeisterungsstürmen reizte und Sterbenden das Letzte Sakrament ersetzte? Ist es der schonungslose Blick in die Abgründe einer kleinen, aber aufrechten Bürokratenseele namens Maarten Koning, der den Nerv seiner Leser getroffen hat? Oder sind es die intimen Einblicke in die Abläufe einer modernen Arbeitsorganisation, wie man sie sonst nur bekommt, wenn man selbst Teil dieser Organisation ist und sein Dasein im selben geistigenVakuum zwischen Eingangskörbchen und Ausgangskörbchen fristen muss, wie es Voskuil in seinem Roman so eindringlich beschreibt?
Es ist wohl beides, doch es ist vor allem die Tatsache, dass viele Leser des Voskuilschen Büro-Epos in sich selbst auch so einen Maarten Koning spüren, der versucht, einer durch und durch sinnlosen Arbeit in einer perfekt durchorganisierten und dabei, seien wir ehrlich, völlig überflüssigen Institution eine tiefere Bedeutung abzuringen. Denn Maarten ist einer wie sie: ein unbedeutender und unverstandener Büromensch, ein „Lohnsklave“, der tagtäglich seine Pflicht tut in diesem, wie es bei Voskuil heißt, „Dschungel da draußen“, einer, der gelegentlich von der Flucht aus seinem Joch träumt und sich schließlich mit den Verhältnissen zu arrangieren lernt – aber auch einer, der bei alledem das nagende Gefühl nicht los wird, dass es das allein doch nicht gewesen sein kann, was man sich vom Leben erhofft hat.
Der niederländische Theologe und Voskuil-Fan Erik van Halsema sieht in
Het Bureau
ein „Buch des Trostes“. Vielleicht hat er sogar Recht damit: Den dumpfen Grundzweifel am Sinn des eigenen Tuns und Strebens – bei Voskuil findet man ihn eindrucksvoll in Worte gefasst. Endlich steht man nicht mehr allein da, sondern hat in Maarten Koning einen treuen Verbündeten gefunden. Und das hat in der Tat etwas ungemein Tröstendes.
*
Wer ist dieser Maarten Koning, und was ist das Besondere an diesem Roman, der eine ganze Nation innerhalb kürzester Zeit mit dem „Morbus Voskuil“ infizierte und in ein Volk von
Bureau
manen verwandelte?
Die Geschichte beginnt 1957. Maarten, ein etwas kontaktscheuer Zeitgenosse – aber mit großen Idealen –, heuert an einem halbvergessenen Institut zur Erforschung niederländischer Volkskultur in Amsterdam an, ebenjenem „Büro“, das von einem wendigen, mit allen Wassern gewaschenen, homosexuellen Direktor namens Beerta geleitet wird.
Beerta sah ihn unbewegt und ein wenig ironisch an. Er verzog den Mund und spitzte die Lippen. „Und, weißt du schon, weshalb du hier arbeiten willst?“
„In erster Linie, weil es keinen Anspruch auf irgendetwas erhebt.“
Seine Antwort überraschte Beerta. Er zog die Augenbrauen hoch. „Das bedeutet doch hoffentlich nicht, dass du dir hier kein Bein ausreißen willst?“ Er stotterte kurz.
„Nein, so war das nicht gemeint.“
Beerta sah ihn prüfend an, als ob er sich fragte, was er damit meinte.
Maarten lächelte schuldbewusst. „Ich werde meine Sache so gut machen, wie es mir möglich ist. So wie ein Tischler einen Schrank macht.“
Zu seinen ersten Aufgaben im Büro, einem getreuen Abbild jenes realen Instituts, an dem Voskuil selbst von 1957 bis 1987 arbeitete, dem Meertens Instituut, gehört eine Untersuchung über „Wichtelmännchen-Erzählungen“ – nicht eben das, was Maarten sich unter einem seriösen Forschungsthema vorgestellt hat. Doch auch bei den
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