Das Büro
Maarten.
Herr Beerta nickte ein weiteres Mal und reichte ihr die Hand. „T-tag, Frau Koning.“ Beim „T“ stotterte er etwas. Er richtete sich auf, schien für einen Moment zu zögern und trat dann zur Seite.
„Kommt rein.“
„Wir kommen doch nicht ungelegen?“, fragte Maarten, während Beerta die Tür hinter ihnen schloss.
„Ihr kommt nicht ungelegen“, antwortete Beerta kurz angebunden. „Ich gehe mal vor.“
Beertas Zimmer wurde von einer Stehlampe mit rotgeblümtem Pergamentschirm sowie einer kleineren Lampe auf dem Kaminsims erleuchtet, deren roter Schirm am unteren Rand mit Perlenschnüren verziert war. Im Schein der Stehlampe standen ein Sessel und ein Hocker, auf dem eine aufgeschlagene Zeitung lag. Das Licht reichte bis zum unteren Rand der schweren, dunklen Vorhänge, die den Raum vom Fußboden bis zur Decke von der Außenwelt abtrennten. Die seitlichen Wände sowie die Flächen beiderseits der Schiebetür standen voll mit Büchern, in tiefen, braunen Regalen, die ebenfalls bis zur Decke reichten und halb im Dunkeln lagen.
„Setzt euch“, sagte Beerta.
Sie setzten sich auf ein Sofa, das ein wenig schräg in einer Ecke desRaums stand, während Beerta ihnen gegenüber in einem Sessel außerhalb des Lichtscheins Platz nahm. Von da, wo Maarten saß, konnte er im vorderen Zimmer einen großen Tisch erkennen, vollgestapelt mit Büchern, zwischen denen eine von einer Tischlampe beleuchtete Schreibmaschine stand. In der Maschine steckte ein Blatt Papier, daneben lag ein aufgeschlagenes Buch.
„Haben Sie gerade gearbeitet?“, fragte er.
„Ich arbeite immer“, antwortete Beerta. Er sah Maarten unbewegt an. „Ich hab dich lange nicht gesehen.“ Es klang vorwurfsvoll.
„Wir haben ein Jahr in Groningen gewohnt“, sagte Maarten. „Ich war dort Lehrer.“
Beerta nickte. „Ich war auch Lehrer“, erwiderte er, als ob das die Sache besser machte. „Und was tust du jetzt?“
„Nichts.“
„Nichts!“, wiederholte Beerta. Er spitzte seine Lippen, halb erstaunt, halb ironisch. „Ich glaube, ich wäre darüber nicht so begeistert.“ Er stand auf. „Wollt ihr vielleicht noch eine Tasse Tee?“
„Ob es ihm passt, dass wir hergekommen sind?“, fragte Nicolien, als Beerta das Zimmer verlassen hatte.
„Natürlich passt es ihm“, sagte Maarten entschieden, aber er war sich seiner Sache nicht sicher. Er ließ seinen Blick über die große, gerahmte Zeichnung eines Bauernjungen schweifen – ein Werk von Toorop oder von van Konijnenburg –, betrachtete das Batiktuch, das dahinter über den Kaminsims drapiert war, sowie die dunklen Möbel und bestickten Kissen, die dem Raum etwas Unvergängliches gaben, ein Eindruck, der durch das langsame Ticken einer Pendeluhr im vorderen Zimmer noch verstärkt wurde. Es hing ein leichter, etwas drückender Parfümgeruch im Raum, der ihn vage an das Zimmer seiner Großmutter erinnerte, in den letzten Jahren vor ihrem Tod.
„Von Klaas de Ruiter höre ich auch nichts mehr“, sagte Beerta, als er wieder ins Zimmer kam. Vorsichtig hantierte er mit einer Teekanne, die in einem in den Farben Rosa, Braun und Blau gestrickten Kannenwärmer steckte, aus dem nur der Griff und der Ausguss herausragten.
„Der ist auch Lehrer“, sagte Maarten.
„Das weiß ich“, entgegnete Beerta trocken. „Aber ist das ein Grund, mich nicht mehr zu besuchen?“
„Vielleicht hat er viel zu tun“, wandte Nicolien ein. Sie lachte nervös.
„Wir haben alle viel zu tun“, sagte Beerta und verzog dabei ironisch die Mundwinkel, „außer Maarten natürlich. Möchtet ihr Milch und Zucker?“
Sie bekamen einen Keks aus einer alten Blechdose, deren Blümchenmuster bereits an mehreren Stellen verschlissen war.
„Und jetzt schreibst du sicher an einer Doktorarbeit“, sagte Beerta. Er sah Maarten forschend an, führte den Keks zum Mund und biss ein kleines Stück ab.
„Ich schreibe keine Doktorarbeit.“
„Du schreibst keine Doktorarbeit?“ Es klang erstaunt, doch Maarten meinte, hinter diesem Erstaunen auch ein wenig Ironie herauszuhören. „Ich dachte immer, das Erste, was einer macht, wenn er mit seinem Studium fertig ist, ist das Verfassen einer Doktorarbeit.“
„Aber Sie haben das doch auch nicht gemacht.“
Beerta lächelte. Nun trat die Ironie deutlich zutage. „Ich bin ein ganz schlechtes Beispiel. Ich würde es gar nicht gern sehen, wenn du mich zum Vorbild nehmen würdest.“
Maarten lachte. „Ich hasse Leute, die eine Doktorarbeit nur wegen des Titels
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