Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
Vom Netzwerk:
schreiben. Wenn man etwas zu sagen hat, kann man das auch ohne Doktorarbeit tun. Und ich habe nichts zu sagen.“
    „Und was meint deine Frau dazu?“
    „Ich finde, er hat recht“, sagte Nicolien. „Ich würde nicht wollen, dass er eine Doktorarbeit schreibt.“ Sie lachte nervös.
    Ihre Antwort überraschte Beerta sichtlich. Er zog die Augenbrauen hoch und sah sie kurz an, bevor er sich wieder Maarten zuwandte. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine einzige originelle Idee gehabt“, sagte er mit Nachdruck. „Trotzdem habe ich eine Doktorarbeit geschrieben, etwas spät zwar, und ich glaube auch nicht, dass sie jemand gelesen hat, außer meinem Doktorvater natürlich,aber ich danke unserem lieben Herrgott noch immer Tag für Tag, dass ich sie habe beenden dürfen.“
    Maarten lauschte amüsiert, ohne darauf einzugehen. Über sich hörte er Schritte und fragte sich, ob es Karel Ravelli war. Er hatte, wie immer, den Eindruck, dass Beerta über seinen Besuch die ganze Welt an der Nase herumführen wollte. In seinen Augen war Beerta der lebende Beweis dafür, dass man sich so weit von der Außenwelt abschirmen konnte, dass man unangreifbar blieb. Das zog ihn an.
    „Irgendwann werde ich wohl wieder eine Arbeit annehmen müssen“, antwortete er auf Beertas Frage, „aber ich glaube nicht, dass ich wieder unterrichten werde.“
    Beerta schien einen Augenblick zu zögern. „Ich habe“, sagte er, mit einer kurzen Kopfbewegung, um sein Stottern unter Kontrolle zu bringen, „eine Stelle für dich.“ Er sah ihn ernst an. „Wenn du willst, kannst du sie haben.“ Das Angebot überraschte Maarten.
    „Ich kann für die Arbeiten am Atlas der Volkskultur einen wissenschaftlichen Beamten einstellen“, sagte Beerta, langsam und präzise.
    Maarten erinnerte sich vage aus seiner Studienzeit, dass es sich dabei um eines der Projekte handelte, die Beerta schon vor dem Krieg ins Leben gerufen hatte. Danach war es dann auf die lange Bank geschoben worden, weil es zu sehr an das Interesse der Nazis für das niederländische Volkstum erinnerte. Unter den Studenten wurde denn auch verächtlich darüber geredet. Nun, da Maarten selbst Arbeit suchte, sprach es ihn an. Wenn es noch irgendwo im niederländischen Wissenschaftssystem einen Winkel ohne auch nur den geringsten Anspruch auf irgendetwas gab, dann ließ er sich hier finden. „Ich könnte es versuchen“, sagte er, ohne viel zu überlegen.
    Beerta nickte. „ Dann solltest du noch mal darüber nachdenken und mich nächste Woche im Büro besuchen, um mir zu erzählen, warum du es versuchen willst.“
    Dieser Vorbehalt wirkte ernüchternd auf Maarten. Er bedauerte, auf das Angebot eingegangen zu sein, und verspürte für einen Augenblick den Drang, seine Worte wieder zurückzunehmen. Unglücklich hörte er Beerta zu, der sich Nicolien zugewandt hatte, und registrierteihre Antworten, ohne dass die Bedeutung ihrer Worte zu ihm durchdrang. Erst als Beerta den Genever brachte, kam er allmählich wieder zu sich. Als sie sehr viel später das Haus verließen, wusste er zwar noch, dass irgendetwas Unangenehmes gesagt worden war, doch was genau, wusste er nicht mehr.
    Direktor Beertas Schreibtisch (Foto Cor Mooij)
    „Nennen Sie mich ruhig Nicolien“, sagte sie, als Beerta sie erneut mit „Frau Koning“ ansprach.
    „Auf Wiedersehen, Nicolien“, sagte Beerta feierlich. „Ich hoffe, dass ich euch bald wiedersehe“, er machte eine kurze Pause, „wenn Maarten erst einmal im Büro ist.“
    […]
    Zwei Wochen später kam ein Brief vom Büro, adressiert an Herrn M. Koning. Er lautete:
Ich habe die Ehre, Ihnen die gestrige Entscheidung der Kommission mitzuteilen, wonach Sie zum 1.Juli d.J. zum wissenschaftlichen Beamten im unteren Rang berufen werden. Über eine kurze Mitteilung, ob Sie die Stelle annehmen, würde ich mich freuen. Der Schriftführer der Kommission, A. P. Beerta.
    Vielleicht hätte Maarten der förmliche Charakter des Briefes erschreckt, wenn ihm nicht sofort aufgefallen wäre, dass Beerta bei Maartens und bei seinem eigenen Namen die Titel weggelassen hatte,als ob er ihm damit zuzwinkern wollte. Außerdem befand sich in dem Umschlag ein zweiter Brief, der jede Spur von Misstrauen beseitigte:
Lieber Maarten, nach dem offiziellen Brief, den ich dir schrieb, möchte ich dir etwas weniger formell in kurzen Worten sagen, das es für mich eine sehr angenehme Vorstellung ist, das du deinen 31sten Geburtstag in unserem Büro feiern wirst. Ich gehe am kommenden

Weitere Kostenlose Bücher