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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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aus dem Karton, der neben ihm stand, schlug ihn auf und las die Antwort auf die Frage, die er gerade bearbeitete. Frage: In welche Vorstellung kleidet man das Schläfrigwerden kleiner Kinder (Sandmännchen, Schlaffee, Schlafläuse). Antwort: Früher in ein Nachthemd, heute eher in einen Pyjama. – Es dauerte ein paar Sekunden, bevor die Antwort zu ihm durchdrang. Amüsiert blätterte er zurück, um zu sehen, von wem der Bogen stammte, nahm eine neue Karteikarte vom Stapel und übertrug die Angaben. In diesem Augenblick ging die Tür langsam auf. Er blickte zur Seite und sah einen kleinen, alten Mann mit einem Spitzbart, der die Tür vorsichtig hinter sich schloss und, ohne ihm Beachtung zu schenken, zur Sitzgruppe ging. Er hörte, dass er ein Buch aus dem Regal nahm und sich setzte. Das ärgerte ihn. Der Mann hätte ihn doch zumindest grüßen und sichvorstellen können. Er versuchte, seine Arbeit fortzusetzen, doch die Anwesenheit des fremden Mannes mit seinem Geraschel im Rücken machte es unmöglich. Irritiert griff er zu seiner Milchflasche und verließ das Zimmer, an Fräulein Haan und van Ieperen vorbei, die zusammen hinter dem Zeichentisch standen. Im ersten Raum waren nur Wiegel und Meierink. Meierink saß hinter dem Schreibtisch, Wiegel stand daneben.
    „Was für einen Idioten habt ihr mir denn da reingeschickt?“, sagte Maarten verärgert.
    Sie unterbrachen ihr Gespräch. Wiegel drehte sich langsam zu ihm um. Seine Züge erstarrten und er straffte, wie Beerta, den Rücken, so dass es schien, als ob er langsam wuchs. „Ich habe niemanden zu dir geschickt“, antwortete er eisig. „Aber vielleicht meinst du D-doktor van den Akker?“
    „Das ist van den Akker?“, fragte Maarten. Er schämte sich. Van den Akker galt als einer der bescheidensten und gebildetsten Vertreter seines Fachs, einer der Wenigen, deren Bücher Pflichtstoff im Examen waren.
    „Das ist van den Akker“, bestätigte Wiegel. „Er hat Beertas Erlaubnis, in seinem Zimmer zu arbeiten, wenn er das möchte.“ Er sah Maarten streng an. „Und mit Grund!“
    „Das wusste ich nicht“, entschuldigte sich Maarten. Er fühlte sich zurechtgewiesen. „Ich dachte, dass es das Sandmännchen wäre“, fügte er hinzu, in einem missglückten Versuch, einen Scherz daraus zu machen.
    Wiegel reagierte nicht darauf. Er wandte sich wieder Meierink zu. „Getrocknete Pflaumen helfen auch manchmal. Und jeden Morgen ein ordentliches Stück Roggenbrot, sagt meine Frau.“
    Mit einem Gefühl der Erniedrigung ging Maarten durch den Flur zur Eingangstür. Er verfluchte sich selbst, vor allem wegen des letzten, charakterlosen Scherzes. Weg! dachte er ärgerlich. Bloß weg! Er ging über die Straße zum Milchladen und wartete tiefunglücklich, bis er an der Reihe war. Er fühlte sich unsicher, bedroht, inmitten einer Welt voller Feinde, und hätte das Büro am liebsten für immer hinter sich gelassen. Als er wieder in sein Zimmer zurückkam, saß van denAkker am kleinen, runden Tisch und schrieb. Maarten zögerte. „Stört es Sie, wenn das Fenster auf ist?“, fragte er.
    Van den Akker blickte geistesabwesend hoch. Er hatte etwas Verschrecktes. „Nein, danke“, sagte er rasch. „Vielen Dank, sehr freundlich.“
    *
    Er träumte, dass er in dem Saal eines großen Gebäudes saß. Es war Nachmittag. Plötzlich ging die Tür auf, und vier betrunkene Soldaten kamen herein. Einer von ihnen griff zu einer Flasche Bier. Er streckte die Hand aus, um ihn davon abzuhalten, doch der Soldat hatte die Flasche bereits an den Mund gesetzt. „Verdammt“, sagte er böse und zeigte auf sein Glas, um deutlich zu machen, dass er selbst fast nichts mehr hatte. Der Soldat nahm das Glas und trank es in einem Zug aus. Die anderen Soldaten hatten sich hingesetzt, stupsten sich gegenseitig und brüllten dabei vor Lachen. Er stand auf und verließ den Saal, um Hilfe zu holen. Die Flure waren verlassen. Es gab große Fenster, durch die er auf die Straße sah. Dort war es beängstigend still. Vor ihm verschwand ein kahlköpfiger Mann in einem gelben Kittel durch zwei Schwingtüren. Als er um eine Ecke bog, sah er in der Halle einen fünften Soldaten in einer hellbraunen Lederjacke. Er saß auf einem Motorrad, dessen Auspuffe er knattern ließ. Die Vordertür war geschlossen. Draußen, vor der Scheibe in der Tür, standen Leute, die nach innen sahen. Der Soldat war so vertieft in sein Motorrad, dass er ihn nicht bemerkte. Er betrat die Hausmeisterloge. Der Hausmeister, seine Frau und

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