Das Café am Rande der Welt: Eine Erzählung über den Sinn des Lebens (German Edition)
war wirklich unglücklich und hatte das Gefühl, keine Kontrolle über mein eigenes Leben zu haben. Tag für Tag arbeitete ich sehr lange und versuchte dann, den Mangel an Freizeit dadurch auszugleichen, dass ich mir selbst etwas spendierte. Nach meinem Verständnis war das eine sehr plausible Lebenseinstellung.
Wenn ich das ganze Wochenende gearbeitet hatte, sagte ich mir, dass ich nun etwas Neues zum Anziehen verdiente oder das neueste Elektrogerät oder irgendein schickes neues Möbelstück. Aber da ich ständig arbeitete, hatte ich nur selten Zeit, die Dinge zu genießen, mit denen ich mich selbst belohnte. Wenn Leute mich besuchten, sagten sie mir, wie schön sie mein Haus fänden, aber ich war zu selten daheim, um es zu genießen.
Eines Abends, als ich gerade einen dicken Stapel Rechnungen durchgesehen hatte, die wieder einmal den größten Teil meines Monatsgehalts verschlangen, ließ ich mich aufs Bett fallen und starrte zur Decke. Ich war kurz davor, in Tränen auszubrechen. Ich erkannte, dass das Leben an mir vorbeiging, dass ich die Tage mit einem Job verbrachte, der mir nicht viel bedeutete, und dass ich versuchte, mich dafür zu entschädigen, indem ich Dinge kaufte, die mir in Wirklichkeit auch nicht wichtig waren.
Erschwerend kam hinzu, dass ich meinem Plan zufolge bis zu meinem 60. Lebensjahr arbeiten musste. Erst im Ruhestand würde ich wieder tun können, was ich wollte. Ein schreckliches Gefühl.«
»Offensichtlich haben Sie mittlerweile eine ganz andere Einstellung«, sagte ich. »Wie kommt das?«
»Damals hatte ich in der Tat eine andere Haltung. Nachdem ich an jenem Abend eine Zeit lang die Decke angestarrt und überlegt hatte, wie ich in diese Lage geraten war, entschloss ich mich, einen Spaziergang zu machen. Ich lebte in einer großen Stadt, und die Straßen waren voller Menschen. Ich sah all die Menschen an, denen ich begegnete, und fragte mich, ob einer von ihnen das Gleiche empfand wie ich. Waren sie glücklich? Taten sie, was sie tun wollten? Führten sie ein erfülltes Leben? Schließlich ging ich in ein kleines Café, das ich zwar vom Sehen kannte, in dem ich aber noch nie gewesen war. Zu meiner Überraschung saß ein Bekannter von mir dort. Ich war ihm bei verschiedenen Gelegenheiten begegnet, und die Gelassenheit, die er ausstrahlte, hatte mich stets beeindruckt.
Er fragte mich, ob ich mich zu ihm setzen wolle, und im Laufe von drei Stunden unterhielten wir uns bei zahlreichen Tassen Kaffee über unsere Einstellung zum Leben. Als ich ihm meine Situation schilderte, lächelte er und wies mich darauf hin, dass ich möglicherweise zu viele meiner eigenen Werbeanzeigen las. Aber ich verstand nicht so recht, worauf er hinauswollte. Daraufhin erläuterte er mir den Prozess, den ich Ihnen vorhin beschrieben habe. Außerdem erzählte er mir etwas, das ich seither nie mehr vergessen habe.
›Unsere Aufgabe‹, so sagte er, ›besteht darin zu erkennen, dass uns etwas erfüllt, weil wir es selbst nun einmal so empfinden, und nicht, weil jemand anderer uns sagt, dass es erfüllend sei.‹
Als ich an diesem Abend nach Hause kam, überlegte ich, was mich erfüllte und warum. Ich nahm mir fest vor, darüber nachzudenken, wie ich jeden Tag verbringen wollte und warum das so sein sollte. Und schließlich führten meine Gedanken mich an diesen Punkt«, sagte sie und deutete auf die Karte.
warum bist du hier?
»Und dann?«, fragte ich.
Anne lachte erneut. »Nun, Casey hat Ihnen ja wahrscheinlich bereits erklärt, dass sich die Dinge ändern, sobald man sich die Frage stellt Warum bin ich hier? Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, kann ich Ihnen sagen, dass ich seit diesem Abend nicht mehr dieselbe bin.
Es fing langsam an. Zunächst nahm ich mir jede Woche etwas mehr Zeit für mich selbst. Ich hörte auf, mich als Ausgleich für die harte Arbeit mit Sachen zu belohnen, und belohnte mich stattdessen damit, dass ich tat, was ich tun wollte. Ich achtete beispielsweise darauf, jeden Tag mindestens eine Stunde lang etwas zu tun, das mir wirklich Spaß machte. Manchmal las ich einen Roman, der mich begeisterte, an anderen Tagen machte ich einen langen Spaziergang oder trieb Sport.
Allmählich wurden aus der einen Stunde zwei, dann drei, und bevor ich mich’s versah, konzentrierte ich mich ganz darauf, Dinge zu tun, die ich tun wollte, Dinge, die meiner Antwort auf die Frage ›Warum bin ich hier‹ entsprachen.«
9 Anne wendete sich Mike zu. »Habt ihr schon die
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