Das Camp
entfernten sich auf dem kahlen Kellerkorridor. Dann wurde es still und Luk war allein.
Er wusste, dass es falsch war, die Luft anzuhalten. Sein
Vater hatte ihm das mal erklärt. Wenn die Luft sehr schlecht ist, atmen die meisten Leute möglichst flach. Ganz falsch. Viel besser ist es, dann besonders tief einzuatmen, damit deine Lungen mehr Sauerstoff herausfiltern können.
Luk nahm die Hand herunter und probierte es. Beim ersten Versuch wurde ihm fast schlecht. Er würgte. Aber nach einigen Atemzügen begann der Würgereiz nachzulassen.
Um sich abzulenken, sah Luk sich um. Der Raum war höchstens zwei mal drei Meter groß. Der Gestank kam von dem Loch im Boden, das offenbar als Toilette diente. Eine Spülung gab es nicht, nur einen ehemals wohl grünen Plastikeimer, der zu drei Vierteln mit Wasser gefüllt war.
Früher einmal musste der Raum ein Fenster gehabt haben. Gegenüber der Tür war eine rechteckige Öffnung mit großen weißen Quadern zugemauert worden. Offenbar erst kürzlich, denn die Steine waren noch sehr weiß. Wer immer das gemacht hatte, er war bestimmt kein Maurer gewesen. Der Großteil des Zements war in dicken Trauben aus den Fugen geflossen, und niemand hatte sich die Mühe gemacht, mal mit dem Spachtel darüberzufahren.
Es hatte auch keiner daran gedacht, einen Lüftungsschacht zwischen den Quadern anzulegen. Vielleicht war es ihnen auch egal gewesen. Kein Wunder, dass der Zementfußboden jetzt feucht war. Wie sollte der auch jemals trocknen hier unten?
Außer dem Loch und dem Eimer gab es nichts in dem Raum. Kein Bett, keinen Stuhl, keinen Hocker, keinen Tisch. Nur eine kahle Neonröhre unter der Decke, die mit ihrem grellen, kalten Licht jeden Winkel ausleuchtete.
Luk lehnte sich an die Wand, verschränkte die Arme vor der Brust und dachte nach.
Er hatte eine Menge falsch gemacht an diesem Tag, das
stand fest. Sonst wäre er nicht hier unten gelandet, in dieser kalten, feuchten Arrestzelle.
Aber andererseits, vielleicht hatte er auch gar keine andere Chance gehabt. Konnte doch sein, dass das zu ihrer Strategie gehörte. Dass sie es darauf anlegten, jeden Neuen zunächst mal hier unten einzubuchten, damit er lernte, dass es nichts brachte, gegen das System aufzumucken.
Er musste an seine Eltern denken. Ob sie wirklich wussten, in was für einer Hölle er hier steckte?
Luk merkte, dass er kaum noch stehen konnte. Seine Beine begannen zu zittern.
Langsam ließ er sich an der Wand hinunterrutschen. Er setzte sich auf den feuchten Zementboden, schlang die Arme um seine Beine und legte sein Kinn auf die Knie.
Von jetzt ab musste er besser aufpassen. Er durfte sich nicht noch mal zu irgendwelchen Frechheiten hinreißen lassen. Das lohnte sich nicht. Er wollte nicht noch mal hier unten landen.
Blöd war nur, dass ihm keiner gesagt hatte, wie lange er in diesem stinkenden Loch bleiben musste.
Eine Nacht?
Eine ganze Woche?
Er hatte keine Ahnung. Wie auch? Da er nicht sprechen durfte, hatte er keine Chance gehabt zu fragen.
16
»Da ist er ja wieder!« Oleg freute sich sichtlich.
Auch Sascha grinste. »Wir dachten schon, wir müssten heute ohne deinen Mittagsfraß auskommen.«
Luk sagte gar nichts. Zum ersten Mal empfand er es als Vorteil, dass er nicht reden durfte.
Sie hatten ihn nicht zum morgendlichen Jogging geholt und auch nicht zum Frühstück. Deshalb hatte er sich schon darauf eingestellt, dass sie ihn noch den ganzen Tag und wohl auch die nächste Nacht in der Arrestzelle lassen würden.
Doch dann, als das Frühstück schon vorbei sein musste, waren plötzlich die beiden Riegel zurückgeschoben worden und Pannewitz war erschienen.
Luk war mit den anderen barfuß durch denWald marschiert. Er hatte kaum noch gezuckt, wenn er auf einen Stein trat. Auf der Lichtung wurden sie wieder ihren Aufgaben zugeteilt.
Diesmal passte Luk auf, dass er beim Freilegen der Wurzeln nicht zurückfiel gegenüber Sascha. Möglichst unauffällig schaute er immer mal wieder auf die andere Seite des Baumstumpfes hinüber und legte einen Zahn zu, wenn er den Eindruck hatte, dass Sascha ihn abgehängt hatte.
Er passte sich Saschas Arbeitsrhythmus an. Sascha arbeitete gleichmäßig, ohne unnötigen Krafteinsatz. Schon bald merkte Luk, dass ihm das gut bekam. Er schonte seine Reserven, verausgabte sich nicht total. Nach der unbequemen Nacht in der Arrestzelle war er zunächst wie erschlagen gewesen. Sein Kopf schien zu platzen. Als er zu graben begann, kam ihm der Gedanke, dass er in seinem
Weitere Kostenlose Bücher