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Das Camp

Titel: Das Camp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tondern
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früheren Leben nicht im Traum daran gedacht hätte, in einem solchen Zustand in die Schule zu gehen. Er hätte sich ein paar Tabletten aus dem Badezimmerschrank geholt und weitergepennt, bis Mittag - oder auch noch länger.
    Und jetzt stand er hier, barfuß, von Kopf bis Fuß verdreckt und wahrscheinlich drei Meilen gegen den Wind stinkend, nach Schweiß und Arrestzelle, um es mal freundlich zu umschreiben, und rammte seinen Spaten in die Erde.

    Er hatte keine Ahnung, wie er diese Schinderei durchhalten sollte. Aber eine innere Stimme sagte ihm, dass es besser für ihn sei, wenn er nicht schlappmachte.
    Kurz vor dem Mittagessen prasselte plötzlich eine Ladung Erde auf ihn herab. Sascha stand über ihm und schob mit seinem Spaten den nächsten Haufen über den Grubenrand.
    Luk reagierte nicht. Er schippte die Erde unbeirrt wieder nach oben, achtete aber darauf, dass er dabei Sascha nicht traf. Er hatte sich schon gedacht, dass so etwas passieren würde. Sascha würde es natürlich nicht einfach hinnehmen, dass er heute nichts von Luks Essen abbekam. Er würde Druck machen, irgendwie.
    Seelenruhig schaufelte Luk die Erde, die Sascha auf ihn herabprasseln ließ, wieder nach oben. Er durfte sich nicht provozieren lassen, egal, was passierte.
    Schließlich schaltete Oleg sich ein. »Hör schon auf, Mann.«
    »Der bescheißt uns um unseren Anteil!« Sascha ließ eine besonders große Ladung auf Luk runtergehen.
    »Quatsch.« Oleg schob Sascha beiseite. »Der hat kein Frühstück bekommen. Der braucht jetzt ordentlich was zu fressen. Sonst klappt er zusammen.«
    Sascha wollte die nächste Ladung auf den Weg bringen.
    Oleg wurde schärfer. »Schluss jetzt! Glaubst, ich will heute als Letzter drankommen?«
    Sascha knurrte noch ein bisschen. Einige Male rempelte er Luk an, als sie zu dritt versuchten, den Baumstumpf aus dem Boden zu wuchten. Sie hatten Glück. Sie hatten alle Wurzeln gekappt, auch die versteckten tief unter dem sperrigen Stubben. Gleich beim ersten Versuch schafften sie es, den Stumpf aus der Grube zu stemmen.
    Mit der Axt, den beiden Spaten und der Säge machten sie
sich über das knorrige Ungetüm her. Inzwischen waren sie so gut aufeinander eingespielt, dass sie dann fast zu den Ersten gehörten, die sich am Essenskübel anstellten.
    Es gab wieder Eintopf. Besser gesagt, Suppe. Als der Küchenbulle die Kelle darin kreisen ließ, sah Luk, wie dünn die Plörre war. Nur ganz unten im Topf befand sich ein bisschen was Festeres.
    Während Luk zu Oleg und Sascha hinüberhumpelte und sich neben Sascha auf den Baumstamm setzte, überlegte er, was für ein Wucher das war. Er sah sich um. Rund 100 Leute liefen auf der Lichtung in ihren verschlissenen orangefarbenen Overalls herum. Für jeden Einzelnen bekam das Camp garantiert 2 500 bis 3 000 Euro im Monat, hatte jemand gesagt. Da blieb ganz schön was hängen.
    Klar hatten sie auch Kosten. Das Personal zum Beispiel. Vielleicht 15 Leute waren das. Aber die kriegten in dieser gottverlassenen Gegend garantiert nur den Mindestlohn. Na gut, seien wir großzügig: 2 000 Euro für jeden. Machte 30 000. Dazu vielleicht noch 10 000 bis 20 000 für Pacht und Ernährung. Alles zusammen 50 000. Das hieß, jeder dieser orangefarbenen Typen hier kostete 500 Euro im Monat, aber er brachte 2 500 ein. Mindestens.
    Eine Geldmaschine war das! Bei 100 Leuten sprangen 200 000 Euro für den Boss heraus. Jeden Monat wieder. Gigantisch!
    Und das war erst der Anfang. Schließlich schufteten sie hier jeden Tag. All das Holz! Wahrscheinlich konnte der Boss mit dem Verkauf das ganze Camp finanzieren. Dann hatte er an die drei Millionen übrig jedes Jahr.
    Luk sah in seine Plastikschüssel. Und sie löffelten hier Wassersuppe.
    »Ist was?«, fragte Sascha misstrauisch.

    Luk schüttelte schnell den Kopf.
    Am Nachmittag kamen sie beim nächsten Stubben gut voran. Aber nicht bei allen Arbeitstrupps schien es zu laufen. Immer wieder wehte lautes Gebrüll über die Lichtung. Mal klang es höhnisch, mal wütend. Luk war nicht sicher, ob es immer dieselbe Stimme war. Aber irgendwie kam sie ihm bekannt vor. Wahrscheinlich hatte er sie schon häufiger im Camp gehört.
    Ganz plötzlich warnte Oleg: »Achtung, Leute! Nicht so hastig. Langsamer arbeiten!«
    Aber es war schon zu spät. Der Zugführer tauchte in seinen polierten Stiefeln am Grubenrand auf. Er blieb dort stehen, bis sie den ganzen Baumstumpf nach oben gewuchtet hatten. Keine Chance, mit dem Tempo runterzugehen.
    »Nicht schlecht,

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