Das Camp
gelassen werden wollte?
Luk war froh, dass er liegen geblieben war. Womöglich zog
Benni noch ganz falsche Schlüsse und erzählte dann überall herum: Der Luk ist schwul. Auf der Krankenstation hat er versucht, sich nachts an mich ranzumachen.
Von dem anderen Bett kam ein lautes Aufschluchzen, nur ganz kurz, dann ging es in ein kaum hörbares Wimmern über.
Diesmal funktionierten bei Luk die Kontrollen nicht. Nicht wirklich jedenfalls. Er war schon halb aus dem Bett, als ihm bewusst wurde, was er da machte. Doch jetzt wieder den Rückzug anzutreten, wäre auch albern gewesen, oder?
Als er sich auf Bennis Bettkante setzte, hatte er immer noch keine Ahnung, was er sagen wollte. Immerhin stieß Benjamin ihn nicht gleich weg.
Luk legte ihm die Hand auf die Schulter. Er spürte, wie Benni erstarrte. Er stellte sogar das Atmen ein. Stocksteif lag er da und rührte sich nicht.
Luk wartete.
Benjamin begann wieder zu atmen. Ganz flach nur, kaum spürbar.
Luk saß da und wartete. Seine Hand lauschte den Veränderungen in Benjamins Körper, registrierte, wie Bennis Atemzüge langsam gleichmäßiger und tiefer wurden. Bennis Muskeln entspannten sich.
Luk hatte immer noch keine Ahnung, wie er sich verhalten sollte. Ein bisschen war es so, als habe jemand plötzlich »Freeze!« gerufen. Seine Deutschlehrerin hatte das mal mit ihnen gemacht. Bei »Freeze!« mussten alle mitten in der Bewegung erstarren und durften aus der Erstarrung erst aufwachen, wenn Frau Dr. Röggelein mit den Fingern schnipste.
Damals hatte er das als ziemlich nervig empfunden und natürlich wieder mal nicht zugehört. Deshalb wusste er jetzt auch nicht, was diese Freeze-Aktion eigentlich sollte.
Benni sagte etwas in seine Armbeuge hinein, so leise, dass
Luk kein Wort verstand. Durfte er jetzt nachfragen? Oder zerstörte er dann alles?
Verdammt! Langsam wurde er ungeduldig. Genau wie damals in der Klasse. Er hatte sich mit der Lehrerin angelegt, weil er es nicht ausgehalten hatte, einfach in der Erstarrung auszuharren.
»Du bist wütend auf mich, stimmt’s?«, sagte Benni plötzlich. Diesmal hatte er den Kopf so weit angehoben, dass man jedes Wort deutlich verstehen konnte. »Ich spür das.«
Wütend? Das war übertrieben. Aber gefrustet, das war er tatsächlich.
»Und woran merkst du das?«
»Deine Finger, sie krallen sich in meine Schulter.«
»Sorry, wollte ich nicht.« Luk nahm seine Hand weg.
»Schade«, sagte Benni. »Fühlte sich gut an.«
Warum schaffte Luk es nicht, seine Hand einfach wieder auf Bennis Schulter zu legen? Als ob da eine Sperre in ihm war, die verhinderte, dass er die normalsten Dinge der Welt einfach nur tun konnte. Warum musste alles immer so schwer sein?
»Wirklich«, sagte Benni. »Dabei hätte ich dir vorhin noch am liebsten eine reingehauen. Mitten in die Fresse!«
Das brachte Luk nun wirklich aus der Fassung. »Du mir?«
»Klar!« Benni drehte sich auf den Rücken und sah Luk ärgerlich an. »Ich war so wütend auf dich. Ich hätte dich umbringen können.«
»Warum hast du’s nicht getan?«
»Weil du stärker bist, du Arschloch. Und wahrscheinlich kannst du auch noch Kung-Fu oder so was. Glaubst du, ich lass mich freiwillig zusammenschlagen?«
»Und warum hast du geheult vorhin?« Luk hätte die Frage am liebsten wieder zurückgenommen. Aber dazu war es zu spät.
Benjamins Gesichtszüge entgleisten. Sein Mund verzog sich zu einer schiefen Linie. Benni sah plötzlich aus, als würde er gleich wieder in Tränen ausbrechen. Aber er entschied sich anders. Er ballte seine linke Faust und schlug zu.
Er schrie auf und griff sich an die Schulter.
Er hatte zu viel Wut in den Schlag gelegt, und der Drive sorgte dafür, dass sein verletzter Arm aus der Schonposition rutschte.
Es war, als habe der plötzliche Schmerz alle Schleusen geöffnet. Als müsse jetzt alles raus, was sich da aufgestaut hatte. Benni weinte.
Als Bennis nach vorn sank und aus dem Bett zu fallen drohte, fing Luk ihn vorsichtig auf. Er nahm ihn in die Arme, hilflos zunächst, aber dann, als er merkte, wie gut ihm das selbst tat, zog er Benni fest an sich.
Heul ruhig, wollte er sagen. Lass alles raus.
Aber diesmal hielt er den Mund. Er hielt Benni einfach nur fest und streichelte seinen Rücken. Eine ganze Weile blieben sie so. Luk spürte schon, wie sein Arm einschlief. Aber er rührte sich nicht.
Plötzlich verspannte sich Benjamin wieder. Irgendetwas schien in ihm vorzugehen. Er schob Luk abrupt weg. Mit einem schiefen Grinsen sah er
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