Das Camp
Arme greifen. Särr gutt.«
Luk schlug ein. Er war ein bisschen stolz auf sich. Zwar war er immer noch Stufe zwei. Was konnte er schon groß tun? Aber dieser Wladimir, der war Stufe fünf. Der war gut vernetzt im Camp. Wenn der sich ein wenig für Benjamin einsetzte, würde das bestimmt eine Menge verändern.
Und das tat es auch. Schneller, als Luk erwartet hatte.
Schon in derselben Nacht wurde Luk aus dem Schlaf gerissen. Eine raue Hand presste sich auf seinen Mund, so fest, dass er keinen Laut von sich geben konnte.
»Pst!«, flüsterte Wladimir ihm ins Ohr. »Du kommen Waschzimmer. Ich warten.«
Bevor Luk noch richtig wach war, hörte er, wie Wladimir leise davonhuschte. Luk setzte sich auf. Die anderen hatten
nichts mitbekommen. Sie schliefen tief und fest. Zumindest taten sie so.
Draußen auf dem Korridor war es dunkel. Energiesparen war neuerdings im Camp angesagt. Der große Boss versuchte anscheinend, auch noch den letzten Cent aus dem Lager herauszupressen.
Luk tastete sich durch die Dunkelheit. Da sie so wenig zu essen und zu trinken bekamen im Camp, war es noch nicht oft passiert, dass er nachts auf die Toilette musste.
Aber inzwischen wusste er ziemlich genau, an wie vielen Türen er sich vorbeitasten musste, bis er am Waschraum ankam. Einmal war er mit jemandem, der still an der Wand gewartet hatte, zusammengestoßen. Er wusste bis heute nicht, wer das gewesen war.
Was Wladimir wohl von ihm wollte? Luk hatte kein gutes Gefühl.
Die Waschräume wurden nachts von je einer Energiesparlampe beleuchtet, einer 5-Watt-Birne, der sparsamsten, die es wahrscheinlich zu kaufen gab. Als Luk vorsichtig die Tür öffnete, sah er Wladimir. Er hatte sich einen Stuhl mitgebracht. Mit übergeschlagenem Bein saß er der Tür gegenüber an der Wand und streckte Luk lächelnd die flache Hand entgegen.
»Kommen spät«, sagte er.
Luk machte drei Schritte auf Wladimir zu. Als er hörte, wie hinter ihm die Tür geschlossen wurde, kapierte er endlich.
Sie hatten ihm eine Falle gestellt, und er war blöd genug gewesen, hineinzutappen.
27
Sie waren zu viert. Harley, Wladimir und noch zwei Typen. Die beiden hatten sich Handtücher um den Hals gelegt. Sie tänzelten ungeduldig und sahen aus, als wären sie direkt aus dem Boxring gestiegen.
Wladimir sah Luk an und zuckte mit den Schultern. Als wollte er sagen: Sorry, Kumpel, aber was soll ich machen? Dann räumte er seinen Stuhl für Harley.
Harley kam sofort zur Sache, als er sich hingesetzt hatte.
»Na, wieder mal am Tricksen?« Er ahmte Wladimir nach. »Greifen Benni unter Arme.«
Also darum ging es. »Wär doch für euch alle gut«, sagte Luk. Er zeigte auf die braune Armbinde, die sie alle trugen. »Oder wollt ihr vielleicht ewig die Toiletten schrubben?«
Harley wandte sich an die anderen. »Hab ich’s nicht gesagt? Reden kann er wie’n Staubsaugervertreter. Bloß sagt er nie, was er wirklich will. Nur mal ein Beispiel: Ich hatte draußen eine ziemlich gute Gang. Wir hatten’ne Menge Spaß zusammen. Ich war der Chief. Er passte nicht so richtig rein in die Truppe. Egal.«
Luk hatte noch nicht wirklich gecheckt, was hier ablief. Worauf wollte Harley eigentlich hinaus?
»Aber dann wurde er größenwahnsinnig.« Harley sah Luk an. »Sag ihnen, was du wirklich vorhattest.«
Luk schwieg.
»Du wolltest selber Chief werden«, sagte Harley. »Hab ich natürlich gemerkt. Nicht sofort, aber irgendwann. Fand ich echt witzig. Du und Chief. Hat richtig Spaß gemacht, dich zappeln zu sehen. Konntest dich ja kaum beherrschen vor
Ungeduld. Aber wie solltest du mich wegkriegen? Meine Leute standen wie’ne Eins hinter mir. Meuterei war also nicht.«
Luk sah aus den Augenwinkeln heraus, wie sich einer der beiden Muskelmänner vor der Tür aufbaute. Der andere ging an eines der Waschbecken, drehte den Hahn voll auf und hielt sein Handtuch in den Wasserstrahl. Als es sich richtig schön voll gesogen hatte, ließ er es ein wenig abtropfen. Das Wasser ließ er laufen. Betont gleichmütig ging er zur Tür und übernahm den Platz seines Kumpels, der nun ebenfalls ans Waschbecken schlenderte und sein Handtuch in den Wasserstrahl hielt.
Bei Luk schrillten die Alarmglocken. Er kannte die Methode natürlich. Er hatte sie selbst oft genug angewendet. Sein Glück war, wenn man hier denn überhaupt von Glück sprechen konnte, dass die Handtücher ziemlich kurz waren. Jedenfalls nicht lang genug, dass man einen Knoten in das eine Ende machen konnte.
Luk sah zu Wladimir hinüber,
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