Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Camp

Titel: Das Camp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tondern
Vom Netzwerk:
einfallen.
    Aber betteln würde er nicht. Das stand für ihn fest.
    Geschah seinen Eltern ganz recht, dass sie nichts von ihm hörten. Sollte seine Mutter doch leiden. Wenn es allzu schlimm wurde, konnte sie sich ja von ihrem Mann Psychopharmaka verschreiben lassen, Stimmungsaufheller für die Seele.
    Jedenfalls würde er ihnen nicht schreiben. Kein einziges Mal, solange er hier in diesem Lager war.
    Aber Luk hatte Benni großkotzig versprochen, ihm zu helfen.
Nur wusste er immer noch nicht, wie. Benni hatte ja recht - er war immer noch Stufe zwei und da hatte er wenig Spielraum.
    Nur ein Einziger war ihm eingefallen, an den er sich wenden konnte: Dr. Enno Schwarz. Er schrieb dem Anwalt, dass Benjamin absolut unschuldig in das Camp geraten war, weil sein Pflichtverteidiger, um einen solchen handelte es sich ja wohl, ganz offensichtlich seine Arbeit nicht gemacht hatte. Luk betonte, dass größte Eile geboten sei, da Benni den harten Lagerbedingungen nicht gewachsen sei und schon mehrere Selbstmordversuche unternommen habe. Er beendete den Brief mit dem feierlichen Versprechen, dass er nach seiner Entlassung für alle Kosten aufkommen würde.
    Als Luk seinen Brief abgab, wunderte er sich darüber, wie wenig Leute vom ihrem Schreibrecht Gebrauch machten.
    »Ist doch klar«, sagte Oleg. »Du darfst den Umschlag nicht zukleben. Wer weiß, wer das alles liest. Und dann geht das überall rum: Der Oleg, dieser Blödmann, schreibt Liebe nur mit i.«
    »Da kann man sich doch beraten lassen«, sagte Luk.
    »Und von wem, bitte schön? Schau dich doch mal um. Die haben hier doch alle null Ahnung.«
    »Ich schon«, sagte Luk.
    So kam es, dass Luk für Oleg einen Brief an Yvonne schrieb, Olegs Freundin. Er kniete sich richtig rein in den Job, nicht nur, was die Rechtschreibung anging. Er schlug Oleg auch einige ziemlich kitschige Formulierungen vor.
    Oleg war total begeistert von dem Ergebnis. »Was willst du dafür haben?«
    »Na, hör mal.« Luk gab sich beleidigt. »Wir sind doch Freunde, oder? Du hast mir doch auch schon geholfen. Eine Hand wäscht die andere.«

    Am selben Abend kamen noch drei andere Kollegen zu Luk. Zwei Briefe gingen an Freundinnen. Den dritten gab Ramon in Auftrag, er war an seine Mutter gerichtet.
    Ramon brauchte unendlich lange, um den Brief durchzulesen, den Luk nach seinen Stichworten geschrieben hatte. »Was willst du dafür haben?«
    »Nichts, Kumpel.«
    »Aber meine Mutter wird mich lieben dafür.«
    »Wenn du ihn abgeschrieben hast«, sagte Luk, »geh ich gern noch mal drüber.«
    »Abschreiben?« Ramon sah ihn verständnislos an. »Wozu? Sie glaubt bestimmt, dass ich das hier gelernt habe. So geil zu schreiben.«
    Luks Ruf als Schreiber verbreitete sich schnell im Camp. Schon beim nächsten Post-Termin kamen neun oder zehn Kunden zu ihm, die alle von seinen Fähigkeiten profitieren wollten.
    Einer von ihnen war Wladimir. Er war ein schlaksiger Mädchentyp mit dunklen, großen Augen. Er war aus Harleys Gruppe. »Du schreiben an Freundin«, sagte er.
    »Wie heißt sie?«, fragte Luk.
    »Überlegen noch. Natascha oder Marija.«
    Luk grinste. »Vielleicht ein Rundbrief?«
    »Nein, nein. Nehmen Marija. Ist hübscher.« Er deutete mit beiden Händen eine beeindruckende Oberweite an. »Natascha nächsten Monat dran, okay?«
    Luk lachte. »Okay«, sagte er und machte sich sofort an die Arbeit. Er stellte sich ein Mädchen vor, das jede Nacht von seinem entschwundenen Liebhaber träumte, und versicherte ihr, dass auch er, also Wladimir, in Gedanken immer bei ihr sei.
    »Gutt«, sagte Wladimir, als er den Brief gelesen hatte. »Särr gutt. Was dein Preis?«

    »Schon okay«, sagte Luk.
    Wladimir legte den Kopf schief. »Das zu teuer«, sagte er trocken.
    »Häh?«
    »In Russland Leute sagen, wer nicht sagen Preis, wollen morgen doppelt.«
    Luk lachte. »Also gut, du könntest mir wirklich einen Gefallen tun. Du kennst doch Benjamin.«
    »Fettes Arschloch.« Wladimir deutete wütend auf seine braune Armbinde. »Seit er da, ich putzen Klo.«
    »Ja«, sagte Luk. Dann setzte er Wladimir behutsam auseinander, dass man daran doch vielleicht etwas ändern könnte, indem man Benni ein bisschen unter die Arme greift. »Wenn er erst mal Schuhe hat, vielleicht kommt er dann besser klar.« Luk grinste Wladimir an. »Und du brauchst nicht mehr die Toiletten zu reinigen.«
    Wladimir hielt Luk die flache Hand hin. »Gutt Kopf«, sagte er und tippte Luk mit dem Zeigefinger der anderen Hand mitten auf die Stirn. »Unter

Weitere Kostenlose Bücher